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Berlin: SPD will Demos vom Ku’damm verbannen

Fraktionschef Müller und Innensenator Körting denken über Beschränkungen nach

Nach der Hisbollah-Demonstration am Sonnabend auf dem Kurfürstendamm strebt die Berliner SPD eine Verschärfung des Demonstrationsrechts an. Fraktionschef Michael Müller sprach sich dafür aus, an wichtigen Tagen, wie verkaufsoffenen Sonnabenden, Demonstrationen nicht in jedem Fall auf dem Kurfürstendamm zu genehmigen. Im Interesse der Händler und der Kunden plädierte er dafür, die Bummelmeile an solchen Tagen für Demonstrationen zu sperren und die Route zu verlegen: „Es gibt auch in der City Nebenstrecken wie die Kantstraße, auf denen man demonstrieren kann, ohne dass es den Ku’damm am verkaufsoffenen Samstag lahm legen muss“, sagte Müller dem Tagesspiegel am Sonntag. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte sich zuvor ähnlich geäußert. Er regte an, Demonstrationen bei Bedarf örtlich und zeitlich zu verlagern.

Am ersten Adventssonnabend hatten etwa 1200 Islamisten gegen die israelische Politik in den besetzten Gebieten Palästinas protestiert. Der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland war zufällig in der Gegend und beobachtete den Demonstrationszug: „Das ist natürlich nicht schön an einem Adventswochenende“, sagte er gestern. „Der Staat kann aber dirigierend und leitend nur in Ausnahmefällen eingreifen.“ SPD-Fraktionschef Müller plädierte dafür, „mit Fingerspitzengefühl einen Kompromiss zu finden.“

Die Händler begrüßten die Debatte. Demonstrationen, wie die am Sonnabend, fügten den Unternehmern „erhebliche Schäden“ zu, sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, Nils Busch-Petersen, dem Tagesspiegel. „Wir achten das Grundrecht zu demonstrieren – aber die Verbraucher und die Kaufleute haben ja auch Freiheitsrechte, die man schützen muss.“

Die Möglichkeiten des Berliner Parlaments, eine Beschränkung des Demonstrationsrechts zu erreichen, sind ohnehin begrenzt. Das Versammlungsgesetz ist Bundesrecht, außerdem gehört das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu den wichtigsten Rechten in der Demokratie und ist entsprechend schwer einzuschränken. Eine Möglichkeit gibt es noch, die noch kein Politiker geäußert oder angewandt hat: Die Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern. Denn das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist ein Deutschenrecht, kein Jedermannrecht. Wenn Ausländer demonstrieren, so tun sie dies nicht nach Artikel 8, sondern nach Artikel 2 des Grundgesetzes, der das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit festschreibt. Dieses Recht kann aber viel leichter eingeschränkt werden als das aus Artikel 8: Die Grenze liegt dort, wo die Rechte Dritter beginnen. Die Belange zum Beispiel der Geschäftsleute auf dem Ku’damm hätten in dieser Abwägung Vorrang, weil das Grundrecht aus Artikel 2 schwächer ist. In der Praxis wird diese Unterscheidung aber nicht gemacht. „Sie werden nie eine Demo finden, in der nur Ausländer mitlaufen“, sagte Jurist Wieland. „Und will man denn tatsächlich sortieren? Das bringt uns in Sachen Zusammenleben nicht weiter.“ Für ihn sind die vielen Demonstrationen eine Sache, die hingenommen werden müsse – mit der Maßgabe, die Störungen so gering wie möglich zu halten.

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