zum Hauptinhalt

Berlin: Spektakuläre Fälle der Mordkommission (2): Die Fusseln verrieten den Doppelmörder

Verräterische kleine Teilchen. Mit bloßem Auge konnte der Hausmeister sie unmöglich ausmachen, als er in der Stationsküche die beiden toten Pfleger entdeckte: blutüberströmt, gefesselt, auf dem Boden liegend.

Verräterische kleine Teilchen. Mit bloßem Auge konnte der Hausmeister sie unmöglich ausmachen, als er in der Stationsküche die beiden toten Pfleger entdeckte: blutüberströmt, gefesselt, auf dem Boden liegend. Achtzehn Mal hatte der Mörder Gabriela S. (37) in den Rücken gestochen, sieben Mal Marco H. (27) in die Brust. Es fanden sich keine Fingerabdrücke, keine Tatwaffe, keine Zeugen - nur winzige, schwarze Fusseln auf den weißen Kitteln der Leichen.

Zu Zeiten, als die Spurensicherung noch ohne Computertechnik auskommen musste, wäre der Doppelmord in Lichtenrade vermutlich als ein perfektes Verbrechen in die Geschichte eingegangen und der Mörder, der in der Nacht zum 13. April 1996 in das Altenheim am Kirchhainer Damm eingedrungen war, ungeschoren davongekommen. Sicher, ein mögliches Motiv hatten die Ermittler zwar schnell gefunden, doch schienen die Beweise auszubleiben.

Der Verdacht fiel auf Mustafa K., ein laut Gutachten ansonsten "angepasster, konfliktscheuer und nicht zur Gewalt neigender Mann", der seit einiger Zeit mit der Ex-Frau des getöteten Marco H. zusammenlebte. Die Drei hatten sich heftig um das Umgangsrecht des Sohnes gestritten, kurz vor dem Mord hatte ein Familiengericht Marco H. Recht gegeben. Es waren die Fusseln, die den Mann überführten: Am Tatort und in der Wohnung des 30-Jährigen fanden die Spurensucher 9500 Fasern, die sich "individuell und unverwechselbar" zuordnen ließen.

Es blieb der einzige Beweis, und deshalb wurde im Gerichtssaal lange über Spuren, Gutachten und Fasern debattiert. Im ersten Verfahren sprachen die Richter Mustafa K. frei, im Mai 1996 wurde er in einem zweiten Prozess wegen zweifachen Mordes verurteilt. Seine Kollegin Gabriela S. musste offenbar sterben, weil sie die Stationsküche zum falschen Zeitpunkt betreten hatte. Sicher kann man sich darüber aber nicht sein: Der Angeklagte hat bislang geschwiegen.

Der genetische Fingerabdruck

Ernst, aber nicht unfreundlich blickt die junge Frau mit dem gelockten Haar in die Kamera. Ein ideales Bewerbungsfoto. Als Claudia Mrosek am 28. Februar 1988 verschwand, stand die junge Frau vor dem Abschluss ihrer Banklehre. Als wenig später ein Unbekannter mit ihrer Scheckkarte Geld abhob, richteten sich die Eltern auf das Schlimmste ein - zu Recht: Am 16. März 1988 wurde die Leiche der jungen Frau in einer Neuköllner Laube entdeckt. Sie war erst vergewaltigt und dann erdrosselt worden.

Mehr als Schemen hatte die Videokamera über dem Geldautomaten nicht erfasst, dennoch kamen die Ermittler von der 1. Mordkommission bald Hansjoachim R. auf die Spur. Der Mann bestritt die Tat. Noch. Denn zunächst ergab ein Fotovergleich, dass es "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit" R. war, der das Geld abgehoben hatte. Die erste kriminologische DNA-Analyse in Deutschland brachte schließlich Gewissheit - und ein Geständnis.

Hansjoachim R. war angeblich auf Wohnungssuche, als er am 28. Februar bei Claudia Mrosek klingelte. Erst vergewaltigte der Eindringling die Frau in der Wohnung, dann schleppte er sie gefesselt und geknebelt zur Laubenkolonie. Der Plan, Mroseks Eltern zu erpressen, erschien R. dann aber doch offenbar zu riskant. Er brachte die 21-Jährige um und hob dann 1600 Mark von ihrem Konto ab.

Winzige Blutflecke, keine Leiche

Der mysteriöseste Fall der 5. Mordkommission ging im Juli 1999 in Tel Aviv zu Ende: Der exrussische Weltraumphysiker Professor Larry G. wurde des Mordes an seiner ehemaligen Gattin Tatiana für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Unzählige Morddrohungen, tätliche Angriffe: Auch drei Jahre nach der Trennung tobte zwischen Larry und Tatiana G. noch der Rosenkrieg. Im Mai 1996 verschwand die Frau auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch spurlos. Der Versicherungsagent behauptete, dass Tatiana G. zum Gespräch nie erschienen sei, doch ein neu eingesetztes Teppichstück am Boden machte die Ermittler misstrauisch. Tatsächlich fand die anrückende Spurensicherung winzige Flecke im Büro: Tatianas Blut, wie eine DNA-Analyse ergab.

Als der Versicherungsagent zugab, dass er das Büro seinem Bekannten Larry G. zur Aussprache überlassen hatte, startete die Suche auf Hochtouren. In Russland wurde der Professor schließlich verhaftet und als israelischer Staatsbürger nach Tel Aviv ausgeliefert. Der Blutfleck blieb der einzige Tatbeweis vor Ort. Tatianas Leiche konnte bis heute nicht gefunden werden. Larry G. behauptet bis heute, dass seine Frau unter falschem Namen weiter als Agentin des russischen Geheimdienstes lebt.

Der unbekannte Tote in der Bio-Tonne

Die Mülltonne machte die Kinder neugierig: Einsam stand sie auf der Baustelle, zugebunden mit einer Wäscheleine, an der Köpenicker Helmholtzstraße. Hinterher mögen die Kinder ihre Neugierde bereut haben: Unter Teppichresten fanden sie eine Leiche, kopfüber in die Tonne gesteckt. Der Mörder hatte dem Mann 28 Mal ein Messer in den Rücken gejagt und 16 Mal mit einem Beil auf den Kopf geschlagen.

Die Ermittler der 9. Mordkommission zogen im Februar 1998 in Köpenick nicht nur von Tür zu Tür, sondern auch von Bank zu Bank: Befragungen im "Trinkermilieu" ergaben, dass es sich bei dem Toten um einen gewissen "Winnie" handeln könnte. In der Wattstraße 13 stießen die Beamten im Hof auf eine Lücke in der Mülltonnenreihe. Und in der Wattstraße 10 wurde Winfried Reich von seinem geistig behinderten Bruder vermisst.

Jetzt holten sich die Polizisten Hilfe von zwei Diensthundeführern aus Sachsen: Die Tiere sind trainiert, menschliches Blut zu erschnüffeln. Zum ersten Mal schlugen sie bei ihrem Einsatz im Keller der Hausnummer 13 an, das zweite Mal vor einer verlassenen Wohnung im Hause. Die Spurensicherung fand schließlich einen Beilkopf, zwei völlig verbogene Messer und Blutspuren in der Küche.

Der 19-jährige Mieter hatte gemeinsam mit einem Freund das Opfer in der Tatnacht auf der Straße kennen gelernt. Als zwischen den betrunkenen Männern in der Küche ein Streit um 50 Mark entbrannte, rastete der 18-jährige Freund aus, griff zu Beil und Küchenmesser. Er wurde vom Jugendgericht wegen Vollrausches zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false