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Berlin: Spende per Mausklick

Beim Fundraising gehen immer mehr Spendensammler ins Internet Gewarnt wird vor unseriösen Organisationen und unsicheren Zahlungswegen

Wenn sie ihn mit seinem schmuddeligen Pappbecher in der Hand auf der Straße getroffen hätte, wäre sie vielleicht einfach genervt weitergegangen. Weil Cary von Uwe aber im Internet erfahren hat, spendete sie auf dem Spendenportal helpedia.de drei Euro für seinen Traum: ein Nachtcafé für Obdachlose. „Ich möchte auch spenden, da ich aber noch Schülerin bin, ist mir nicht mehr möglich! Alles Gute!!!!“, schrieb sie dazu.

Statt zehn Euro zu spenden lieber 100 Euro sammeln: Das ist das Motto des Bloggers Ole Seidenberg. Seine „Aktion Uwe“, die er im Januar 2009 zugunsten des 44-jährigen Hamburger Obdachlosen Uwe gestartet hat, gilt als ein Musterbeispiel für das Fundraising 2.0 – dafür also, wie man mit Hilfe sozialer Netzwerke im Internet Geld sammeln kann für eine gute Sache. Nachdem er den Obdachlosen auf der Straße kennengelernt hatte, richtete Seidenberg auf seiner Webseite socialblogger.de einen Blog über ihn ein. Er berichtete über Uwes Leben und ließ ihn in Videos selbst zu Wort kommen. Die Videos stellte Seidenberg bei Youtube ein, auf Facebook, Xing und Twitter verbreitete er sein Anliegen. Nach wenigen Wochen hatten so viele Menschen über das Online-Bezahltool PayPal so viel Geld gespendet, dass Uwe sich ein Bett in einer Pension nehmen konnte. Wenige Monate später unterschrieb er den Mietvertrag für eine eigene Wohnung – nach 20 Jahren auf der Straße. Seidenberg verlegte die „Aktion Uwe“ auf das Portal helpedia.de, seitdem flossen die Spenden zweckgebunden und gegen Spendenquittung in das Projekt „Nachtcafé“. Bis zum Sommer 2010 kamen rund 3500 Euro zusammen. Mit seinem Pappbecher hätte Uwe wohl kaum so viel Geld eingenommen.

„Im Fundraising 2.0 sehen viele die große Zukunft“, sagt Stephanie Rüth, Sprecherin der Bank für Sozialwirtschaft in Köln. Die Vorteile der Methode scheinen offensichtlich: Über soziale Netzwerke kann jeder in Sekunden Menschen in aller Welt erreichen und für das eigene Anliegen mobilisieren. Fotos und Videos machen die Botschaft lebendig und versprechen Transparenz, die Empfehlung durch eigene Kontakte erhöht die Glaubwürdigkeit. „Viele Fachleute sind trotzdem skeptisch gegenüber Fundraising 2.0“, sagt Rüth. Denn die Summen, die über soziale Netzwerke gesammelt würden, seien bislang sehr klein. „Über soziale Netzwerke kann man viele Menschen auf eine Sache aufmerksam machen“, sagt sie. „Aber um Kontakte zu treuen Großspendern zu pflegen, reichen soziale Netzwerke nicht.“ Das Deutsche Zentrale Institut für soziale Fragen (DZI) rät zudem zu besonderer Vorsicht im Internet. Spender sollten nach Hintergrundinformationen suchen (etwa Geschäftsberichte) und auf eine sichere Zahlungsmethode achten. Von Angeboten, bei denen der Kauf mit einer Spende verknüpft ist, rät das DZI ab. Der sicherste Weg sei nach wie vor die direkte Spende an eine seriöse Organisation.

Auch auf den Webseiten der großen Hilfsorganisationen finden sich sogenannte Spendenbuttons. „Jetzt Spenden“ steht da zum Beispiel – wer darauf klickt, kommt auf ein Formular, in das er seinen Namen, die Bankverbindung und die Höhe der Spende eintragen kann. Noch direkter ist die Spende per SMS: Abgerechnet wird über die Mobilfunkrechnung oder das Prepaid-Guthaben, die Kontodaten muss der Spender nicht angeben.

Anlass für eine der jüngsten großen Spendenaktion war die Erdbebenkatastrophe in Haiti im Januar dieses Jahres, für deren Opfer die Deutschen 195 Millionen Euro spendeten. Der „Aktion Deutschland hilft“ zufolge kam dabei mehr als ein Viertel des gespendeten Geldes aus Internetspenden, im Durchschnitt gaben die Spender im Netz 100 Euro. Viel geringer waren die Summen, die Spender über soziale Netzwerke und SMS gaben – zwischen fünf und 28 Euro.

Auch die Bank für Sozialwirtschaft hat ein Online-Spendenportal entwickelt, rund 700 Organisationen nutzen es bereits – Branchenriesen wie Amnesty International und Oxfam, Kreisverbände des Deutschen Roten Kreuzes und regionale Initiativen wie die Leipziger Kinderstiftung. Am 1. Juni 2009 ging das Portal ans Netz, seitdem sind mehr als sieben Millionen Euro zusammengekommen – das zeigt ein Live-Zähler auf der Seite an. Seit Kurzem gibt es das Spendenportal auch als App für das iPhone.

Wie lassen sich Menschen motivieren, Geld zu spenden und auch selbst mit anzupacken? Diese Frage müssen soziale Organisationen jeder Größe beantworten, „denn Ehrenamtliche sind die Basis unserer Arbeit“, sagt Elfi Witten, Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Auch für die Vernetzung der Helfer wird das Internet immer wichtiger. So können sich Berliner, die helfen wollen, zum Beispiel auf www.freiwillig.info, der Seite der Landesfreiwilligenagentur „Treffpunkt Hilfsbereitschaft“, über Projekte informieren, für die Helfer gesucht werden. Rund 850 000 Berliner engagieren sich bereits ehrenamtlich. „Die Bereitschaft zu helfen steigt“, sagt Elfi Witten.

Um Ehrenamtlichen zu danken, lädt der Paritätische Wohlfahrtsverband einmal pro Jahr Helfer zu einem Dankeschön-Brunch ein. Auch der Senat will Ehrenamtliche von 2011 an belohnen: Mit der Ehrenamtskarte sollen 4500 Freiwillige unter anderem ermäßigten Eintritt in den Zoo, den Berliner Dom und das Staatsballett bekommen. „Wir müssen den Ehrenamtlichen immer wieder zeigen, wie wichtig sie sind“, sagt Elfi Witten. „Ohne sie geht es nicht.“ Barbara Kerbel

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