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Nicht ohne meine Tochter. Vita Hubar, Mutter der an Leukämie erkrankten Anna, in der Kinderklinik der Charité.

© Thilo Rückeis

Spenden für den Verein "Kinderhilfe": Ein Heim für die Familie

An der Charité werden schwerkranke Kinder behandelt, die oft von weither kommen. Auch die Eltern müssen irgendwo wohnen. Der Verein „Kinderhilfe“ unterstützt sie und bittet um Spenden.

Ein Clown soll kommen, ein Clown mit roter Nase und roten Backen und Ringelpulli und einem Lachen, das so breit ist, dass sich die Mundwinkel vom rechten zum linken Ohr ziehen. Und dann wird Anna selber lachen, sie wird den Clown mit ihrem fröhlichsten Lachen empfangen. Er ist ja etwas Besonderes, wenn er dann durch die Wohnungstür tritt, er wird dann der erste Gast sein, der in ihr neues Leben tritt.

In dieser Welt fühlt sich Anna gesund und glücklich, sie ist dann ein fröhliches Kind, das bald über die Wiese rennt, mit anderen Kindern auf dem Spielplatz tobt und liebevoll Hunde streichelt.

So stellt sich Anna, sieben Jahre alt, ihren ersten Tag nach der Entlassung vor.

Aber noch ist die Welt der Anna ein paar Quadratmeter groß, begrenzt durch ein Fenster und eine Tür, die in einen Gang führt, in dem Weihnachtsmänner aus Pappe von der Decke baumeln und Kinderfotos an der Wand hängen. In der Kinderstation für Stammzellen-Transplantationen der Charité haben die Schwestern liebevoll für weihnachtliche Atmosphäre gesorgt.

An der Tür von Annas Isolierzimmer klebt ein Adventskranz aus Papier, statt Kerzen gibt’s den Nikolaus, mal auf dem Schlitten, mal fröhlich marschierend. Und darunter, in großen gelben Buchstaben, steht ANNA. Hinter der Tür malt die Siebenjährige, träumt von gefüllten Teigtaschen, blickt auf die Bäume des Parks, blickt in die Welt, die sie nicht betreten darf.

Anna hat Leukämie. Sie erhält neue Stammzellen, sie ist isoliert. Sie kämpft um ihr Leben.

Heute ist ihr Vater da, natürlich. Er ist fast immer da. Annas Mutter hat vor einem Monat einen Jungen geboren, sie hat nicht viel Zeit für ihre Tochter, sie muss sich ums Baby kümmern. In der Schwangerschaft durfte sie zeitweise gar nicht zu Anna, eine Vorsichtsmaßnahme. Dem Vater haben Stress und die Sorgen um Anna so zugesetzt, dass er zehn Kilogramm abgenommen hat. Er ist sogar krank geworden.

Vor Annas Zimmer steht Sybille Fischer, eine Frau mit weichem Gesicht unter wilden Locken, und sagt: „Ich hoffe so sehr, dass Anna wieder gesund wird.“ Sybille Fischer arbeitet für den Verein „Kinderhilfe – Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder“, er betreut die Familie Hubar. Ohne ihren Verein könnten Vita Hubar und ihr Mann ihre todkranke Tochter nicht so intensiv betreuen.

Die Hubars leben eigentlich in der Ukraine, in einer Stadt 400 Kilometer von Kiew entfernt. Aber seit Juli sind in sie in Berlin, wegen Anna, weil die seit Monaten in der Charité behandelt wird.

Die Hubars leben in einer Wohnung, die ihnen der Verein „Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder“ zur Verfügung stellt. Er hat zwei Wohnungen insgesamt, Unterkünfte für Eltern, die aus ganze Deutschland, aber auch aus dem Ausland kommen. Diese Eltern haben kein Geld für monatelange Aufenthalte in Pensionen oder Hotels. Diese Eltern, die am Rande ihrer psychischen Kraft sind, wollen aber bei ihren todkranken Kindern bleiben. „Es ist unheimlich wichtig, dass die Kinder wissen, dass Vater und Mutter bei ihnen sind“, sagt Sybille Fischer.

Der Verein besitzt noch eine dritte Wohnung, doch die steht im Moment leer. „Sie ist in einem schlimmen Zustand“, sagt Sybille Fischer. Also wird sie komplett renoviert. Rund 10 000 Euro kostet diese Sanierung. Geld, das der Verein nicht hat, deshalb bittet er um Spenden. Im Januar soll die Wohnung bezugsfertig sein, es gibt Eltern, die warten dringend auf Übernachtungsmöglichkeiten.

Die Eltern leben in permanenter Sorge um ihr Kind und brauchen deshalb Ruhephasen

Nicht ohne meine Tochter. Vita Hubar, Mutter der an Leukämie erkrankten Anna, in der Kinderklinik der Charité.
Nicht ohne meine Tochter. Vita Hubar, Mutter der an Leukämie erkrankten Anna, in der Kinderklinik der Charité.

© Thilo Rückeis

Verein und Charité arbeiten eng zusammen bei der Betreuung dieser Eltern. Die Klinik nimmt die krebskranken Patienten an, sie sorgt dann dafür, dass deren Eltern auch so lange eine Übernachtungsmöglichkeit haben, solange die Behandlung dauert. Es gibt das Ronald McDonald Haus, das Zimmer bietet, es gibt die Wohnungen des Vereins für krebs- und schwerkranke Kinder. Die Charité fragt jeweils an, ob Übernachtungsmöglichkeiten bestehen. Möglicherweise ist ja ein Vater oder eine Mutter Kunde des Jobcenters, auch dann hilft die Charité. Sie beantragt eine Freistellung von Terminen während der Behandlungszeit.

Die Eltern haben Tag und Nacht Zutritt zu ihren Kindern, es gibt Betten, in denen sie in den Zimmern übernachten können. Aber Eltern, die in permanenter Sorge um ihr Kind leben, benötigen auch Ruhephasen, Minuten, in denen sie einfach nur ausspannen können. Ein paar Meter neben der Kinderstation finden sie diese Zone der Regeneration. Eine Wohlfühlinsel innerhalb der Krankenhausatmosphäre. Ein Zimmer, das eher an ein Appartement erinnert. An der Wand ein schwarzes Sofa mit Kissen, in der Mitte ein Tisch mit eleganten Stühlen, weiß-blaue Gardinen, geräumiger Kühlschrank, Kochplatten, Wandschränke.

Dank eines Spendenaufrufs bei Facebook kann die Familie die Behandlung überhaupt finanzieren

Hier taucht jeden Freitag ein Mitarbeiter des Vereins „Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder“ auf, ausgerüstet mit Kaffee und Kuchen und bereit, mit Eltern zu plaudern oder einfach nur zuzuhören. Der Verein finanziert auch eine Klangtherapeutin für die Kinder. Und die Charité sorgt dafür, dass eine Erzieherin für die Patienten da ist, wenn mal Eltern kurze Zeit nicht bei den Kindern sein können. Zehn Zimmer gibt es auf der Station, die Patienten sind zwischen ein paar Monaten und 17 Jahre alt. Und es gibt Lehrer, die sich um sie kümmern.

Die Geschäftsstelle des Vereins liegt nur 200 Meter von der Charité entfernt. An einem ovalen Tisch sitzt Vita Hubar und erzählt die Leidensgeschichte ihrer Tochter. Es ist auch die Leidensgeschichte von ihr und ihrem Mann. Anna lag schon 2013 in der Charité, sie erhielt eine Chemotherapie, die 250 000 Euro kostete. Natürlich konnte die verzweifelte Familie dieses Geld nicht bezahlen. Sie hatte zwar ihr Grundstück verkauft, doch der Erlös reichte nicht. Also starteten Vita Hubar und ihr Mann einen Spendenaufruf bei Facebook. Der Erfolg war überwältigend. Menschen aus der ganzen Ukraine, aber auch aus Russland überwiesen Geld für Annas Behandlung.

Die Eltern begleiteten die schwerkranke Tochter nach Berlin und lebten ein Jahr lang bei Bekannten. Anna wurde entlassen, erlitt aber im Frühjahr 2015 einen Rückfall. Seither sind die Hubars wieder hier. Doch bei Bekannten können sie nicht mehr unterkommen. Deshalb half der Verein. Die Hubars haben einen Asylantrag gestellt, das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) übernimmt jetzt die Behandlungskosten.

Wenn Vita Hubar bei ihrer Tochter ist, notieren beide, was Anna nach der Entlassung machen wird. „Borschtsch essen“, schreibt Anna dann zum Beispiel. „Sie liebt die russische Küche“, sagt die Mutter. Und den Clown natürlich. Aber dann kommt der Moment, in dem Anna auf die Uhr ihrer Mutter blickt und sagt: „Ich schaue, wie lange du noch bleiben darfst.“ Der Mutter steigen die Tränen in die Augen, als sie das erzählt.

Und neben ihr am Tisch sagt Sybille Fischer: „Wir versuchen, Vater und Mutter von Patienten zu stabilisieren.“ Diese Eltern haben häufig finanzielle Probleme, sie haben weitere Kinder, um die sich kümmern müssen, sie müssen zu ihrer Arbeit, es gibt eine Flut von Punkten, bei denen sie die Hilfe des Vereins brauchen.

Einmal fragten Eltern, ob ein Onkel in der vereinseigenen Wohnung übernachten darf. „Selbstverständlich durfte er das“, sagt Sybille Fischer. In einem anderen Fall organisierte der Verein, dass Großeltern ihr Enkelkind überraschend in der Charité besuchen konnten. Die Fünfjährige spielte gerade mit einer Puppe, als plötzlich Opa und Oma an die Scheibe klopften. Das Mädchen schaute hoch, stutzte eine Sekunde und war dann außer sich vor Freude.

Im letzten Zimmer der Kinderstation liegt Frederic, zehn Jahre alt. Frederics Vater ist Fernfahrer, er hat kaum Zeit, seinen Sohn zu besuchen. Frederic vermisste seinen Vater unendlich. Deshalb finanziert ihm der Verein nun ein Handy, jetzt können Vater und Sohn zumindest regelmäßig miteinander sprechen und ein paar Minuten Probleme verdrängen. Nur ganz fliehen vor der bedrückenden Situation können sie nie. Daran ändern auch Weihnachtsmänner, Nikoläuse und Kinderfotos nichts. An der Tür zu Frederics Zimmer hängt ein „Tagesplan“. „Aufstehen“ steht dort und „Schlafen gehen“. Der dritte Punkt heißt „Überleben“.

"Kinderhilfe - Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder e.V." sitzt in der Triftstraße 42, Tel. 857 47 83 60, www.kinderhilfe-ev.de,info@kinderhilfe-ev.de. Im Rahmen der Spendenaktion des Tagesspiegels "Menschen helfen!" können Sie unter dieser Bankverbindung spenden: Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00, BIC: BELADEBE), Konto 250 030 942 (IBAN: DE 43 1005 0000 0250 0309 42). Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren.

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