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Sprachkurse: Integration gefordert, Mittel gekürzt

Wer Deutsch lernen will, kommt jetzt erst mal auf die Warteliste – oder muss tricksen. Gerade hoch motivierte und lernwillige Migranten werden so abgeschreckt.

Kemal Güler spricht gebrochen Deutsch, doch verstehen tut er ganz gut. In Deutschland lebt er seit 15 Jahren. Bis vor kurzem hat der ehemalige Lastwagenfahrer noch einen Job gesucht. Doch er hatte Glück und verrichtet jetzt Hausmeisterarbeiten in einer Kita. Ob ihm ein Integrationskurs geholfen hätte, weiß er nicht. Er kenne einige, die einen Kurs absolviert hätten: „Hat denen schon geholfen, glaube ich.“ Noch vor vier Monaten hätte Güler sich ohne Probleme in einem Kurs freiwillig anmelden können. Jetzt müsste er sich auf Wartezeiten von mindestens drei Monaten einstellen. Denn das Geld für die Gratiskurse ist knapp in Deutschland und damit auch in Berlin.

Fast unbemerkt hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Juli weitreichende Kürzungen beschlossen. Sprachkurse werden seitdem nur noch Zuwanderern bezahlt, die von den Behörden dazu verpflichtet wurden. Wer sich freiwillig bewirbt, kommt auf die Warteliste oder muss den Kurs in Höhe von 110 Euro selbst zahlen. Eine Möglichkeit, die Wartezeit zu umschiffen, besteht zumindest für Transferleistungsempfänger darin, sich beim Jobcenter verpflichten zu lassen. Nach Aussagen der Berliner Regionalstelle des BAMF könnten das etwa 90 Prozent der „Nachholer“, also diejenigen, die schon länger in Deutschland leben, aber schlecht deutsch sprechen und Transferleistungen beziehen. „Die Jobcenter nutzen diese Möglichkeit bisher jedoch nur in etwa 20 Prozent der Fälle“, sagte Beate Stoffers, Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung. Es gebe jetzt Gespräche mit den Jobcentern, diese Möglichkeiten mehr zu nutzen.

Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram kritisiert, dass der Senat zu spät und zu wenig auf die Kürzung des Bundes reagiere. „Das Thema Integration hat in Berlin eine hohe Priorität, auch wenn das beim Bund vielleicht nicht so ist.“ So hätte das Land die Bundeskürzung mit einer Art Aktionsfond auffangen und frühzeitig Landesmittel zur Verfügung stellen sollen.

Wirklich verlässliche Daten, wie viele Nachfrager derzeit in Berlin keinen Platz bekommen haben, gibt es nicht, da nur bundesweite Daten zur Verfügung stehen. Heruntergerechnet könne man aber von 1000 Betroffenen ausgehen, die auf der Warteliste stünden oder eine Sperrfrist erhalten hätten, sagte Stoffers. Allein in der VHS Neukölln absolvierten im Vorjahr 1608 Migranten einen Kurs – freiwillig und vom Bund gefördert oder von den Behörden angeordnet. „Wenn jetzt Interessierte zu uns kommen und die Möglichkeit besteht, dass sie sich beim Jobcenter verpflichten lassen können, dann schicken wir sie dorthin zurück. Den Rest müssen wir vertrösten“, sagte Bernd Müller, VHS-Direktor in Neukölln. Dieses Verfahren sei kontraproduktiv und gehe zu Lasten von hoch motivierten lernwilligen Migranten, sagte Jochen Mainka, dort Programmleiter der Integrationskurse.

„Es ist absurd. Mit der stärkeren Einbindung der Jobcenter wird eine Krücke gebaut. Jetzt müssen sich Freiwillige oder Transferbezieher eine Verpflichtung besorgen, mit der eigentlich die sogenannten Integrationsverweigerer verpflichtet werden sollten“, sagte der Berliner Ausländerbeauftragte Günter Piening. Zudem liege hinter der Einbindung der Jobcenter ein weiterer bürokratischer Aufwand. Zurzeit befinde man sich in Berlin im Blindflug, was diesen Integrationsbereich angehe, weil keine verlässlichen Zahlen für das Land vorlägen. „Der Erfolg integrationspolitischer Maßnahmen kann sich so nicht durchsetzen“, sagte Piening. Es müsse einfach eine bessere Bund-Länder-Abstimmung geben.

Die öffentliche Diskussion sei doppelzüngig, wenn man den Migranten jetzt einerseits Verweigerung vorwerfe, andererseits aber Lernwilligen monatelange Wartezeiten bis zum Kursbeginn verordne, sagte Beate Stoffers. „Es wird davon ausgegangen, dass die Maßnahme ab 2011 zurückgenommen wird.“

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