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Berlin: Sprechen statt zoffen

Gestern zog die Weddinger Herbert-Hoover-Realschule Bilanz nach zwei Jahren Deutschpflicht

„Unsere Konfliktlotsen sind jetzt arbeitslos.“ Nezir Asanovic, Gesamtschülersprecher der Weddinger Herbert-Hoover-Realschule, muss nicht lange überlegen, wenn er Bilanz ziehen soll. Bilanz nach knapp zwei Jahren „Deutschpflicht“ an seiner Schule. Bilanz nach zwei Jahren, die Schüler und Lehrer offenbar zusammengeschweißt haben. Gestern saß er neben seiner Rektorin, mit dem Landesschulrat und dem Vorstand der Deutschen Nationalstiftung, um der Öffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen.

Die Öffentlichkeit kennt sich recht gut aus mit der Schule, seit im vergangenen März die Sache mit der „Deutschpflicht“ bekannt wurde. Erst wurde die Schule gescholten, dann gelobt und schließlich bekam sie den mit 75 000 Euro dotierten Deutschen Nationalpreis verliehen. Der große Festakt am Gendarmenmarkt ist jetzt genau ein Jahr her. Ein doppelter Grund also, Bilanz zu ziehen.

Man kann an diesem Tag fragen, wen man will – Rektorin Jutta Steinkamp, die Lehrer oder auch die Schüler: Alle sind froh über das, was bei ihnen passiert ist, und überzeugt davon, auf dem richtigen Weg zu sein. Und alle berichten darüber, dass es praktisch keine Gewalt mehr an der Schule gebe – weder körperliche noch verbale. „Die Gruppen mischen sich mehr: die Araber, die Serben, die Deutschen, die Türken“, berichtet etwa der 18-jährige Mustafa, der im Sommer eine Lehre als Kaufmann für Bürokommunikation im Bezirksamt beginnen wird.

Früher habe es auf dem Schulhof oft Zoff gegeben, weil sich die ethnischen Gruppen in ihren jeweiligen Sprachen unterhielten und sich dann die jeweils anderen ausgegrenzt oder beleidigt fühlten. Das sei völlig anders geworden, sagen übereinstimmend Kadir, Halil, Aykut, Diana und Volkan, die neben Schülersprecher Nezir sitzen, alle gut Deutsch sprechen und genau wissen, was sie werden wollen. Allerdings liege das mit dem Fortschritt im Deutschen nicht nur an der Deutschpflicht, sondern auch daran, dass der Unterricht intensiver geworden sei. Die Lehrer berichten, dass sie aufgrund ihres speziellen Sprachprofils jetzt statt vier sechs Stunden Deutsch unterrichten und auch nicht mehr in den Klassenverbänden von 26 Kindern, sondern in 17er-Gruppen. Zudem wird das Ganze noch wissenschaftlich begleitet von TU und FU.

Die 75 000 Euro der Nationalstiftung sollen in die Bühnentechnik gesteckt werden. Vorher muss allerdings noch der marode Riesenraum saniert werden: Rund 30 Jahre lang war er nicht als Aula nutzbar, weil er zu drei Unterrichtsräumen umgebaut worden war. Jetzt wurde die monströse Zwischendecke herausgeholt, und zum Vorschein kam eine zwar früher mal schöne, aber gänzlich baufällige Hochdecke. Bis zur ersten Aufführung auf der neuen Bühne können noch Monate vergehen. Aber das hält die Schule aus. Vielleicht klappt es bis Weihnachten. Susanne Vieth-Entus

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