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Kämpferisch. „Ich bin klein und ich bin wichtig. Im Müll zu spielen, ist nicht richtig“, rufen die Kinder.

© Jana Böhm

Spritzen und Scherben auf Spielplätzen: Familien kämpfen gegen Vermüllung in Kreuzberg

Eltern und Kinder in Kreuzberg fordern ihren Kiez zurück und wehren sich gegen Müll und Verwahrlosung auf Spielplätzen.

„Wir wollen endlich wieder spielen, anstatt in Scherben rumzuwühlen. Klettern, rutschen und verstecken – aber nicht in Stinke-Ecken“, heißt es in ihrem Protestsong. Schon mehrmals besetzten die Kids der Kinderläden „Irgendwieanders“, „Krümelkinder“ und „Cuvrybande“ zusammen mit dem Familienzentrum Kiezanker 36 den Spielplatz zwischen der Cuvry- und der Falckensteinstraße. Auf dem Platz gibt es nur noch einen Brunnen und die Überreste einer Schaukel.

Überall liegen Abfall, Scherben, Spritzen, und die kaputten Spielgeräte wurden ersatzlos abgebaut. Die Kinder haben es satt, im Müll zu toben und von Erwachsenen verdrängt zu werden. Mit der Initiative „Kinder besetzen Spielplatz“ machen sie ihrem Frust Luft. „Das Problem beschränkt sich nicht auf den Wrangelkiez, es besteht leider in ganz Friedrichshain-Kreuzberg“, sagt Esther Borkam, Leiterin des Familienzentrums.

Die kleinen Aktivisten sind mit Besen, Zangen und Feuereifer dabei, den Spielplatz von Weggeworfenem zu befreien.

„Blöde Leute haben hier überall Müll hingeschmissen“, sagt Emil (3) und passt auf, dass der jüngere Ono nicht in die Scherben tritt, die am Sandkastenrand liegen. Zwei Mädchen schrauben mit ihrem Vater Holzbretter zusammen und fädeln dicke Schnüre ein – das sollen neue Schaukeln werden. Daneben baut Esther Borkam mit anderen Kindern einen großen Holzrahmen, an den sie später klingende Dosen hängen.

„Das baut uns das Ordnungsamt bestimmt alles wieder ab“, bemerkt eine der Erzieherinnen. Der obdachlose Adam, der sich das bunte Treiben von seiner Bank aus angeschaut hat, schiebt den Einkaufswagen mit seinem Hab und Gut zur Seite und fängt an, den Weg zu fegen. Auf den sauberen Steinen beginnen einige Jungen, mit bunter Kreide lachende Gesichter zu malen.

Obdachlose oder Abhängige nutzen die Plätze als Unterschlupf

Die halbwegs sauberen Spielplätze im Kiez sind überfüllt oder im Sommer kaum nutzbar, da es kaum Schatten gibt. Anderorts wurden die Kinder längst verdrängt. Zugemüllt und verwahrlost dienen die Plätze den Obdachlosen als Nachtlager, und Abhängige konsumieren hier ungestört Drogen. Ein Vater erzählt, dass er die Spielgeräte jedes Mal kontrolliert, bevor er seine Töchter spielen lässt. Schon häufiger hat er benutzte Spritzen gefunden.

Mit Transparenten gegen Müll.
Mit Transparenten gegen Müll.

© Jana Böhm

Nina Hofeditz vom Kinderladen „Irgendwieanders“ wird immer wieder mit solchen Berichten konfrontiert. Gemeinsam mit Esther Borkam hat sie deshalb die Initiative „Kinder besetzen Spielplatz“ ins Leben gerufen. „Kinder müssen ihre eigene Stimme finden, sie müssen wahrgenommen und gehört werden. Es ist ihr Platz und darum ist es wichtig, dass sie ihn mitgestalten“, findet Nina Hofeditz.

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Was es bewirkt, wenn man sich für seine Sache einsetzt, zeigen die ersten Erfolge: Die Parkläufer, die im Görlitzer Park für ein friedliches und rücksichtsvolleres Zusammenleben sorgen, haben ihre Route erweitert und schauen mehrmals am Tag vor dem „Kiezanker“ nach dem Rechten. Außerdem kommt jetzt viermal pro Woche ein privater Reinigungsdienst, um den Spielplatz zu säubern. Immer noch zu wenig, aber ein Anfang ist dort gemacht.

Monika Herrmann spricht erst jetzt vom Müllproblem

Und wie geht es weiter? Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sprach kürzlich von einem Corona-bedingten Müllproblem. Doch schon vor zwei Jahren hat ihr das Familienzentrum Ideen für den Spielplatz nebenan vorgelegt. Zuletzt waren beim Nachbarschaftstreffen im August zum Thema „Konflikte im öffentlichen Raum“ Müll, Drogenkonsum und Spielplätze hitzig diskutierte Themen.

[Die nächsten Aktionstage im Rahmen der „Gemeinsamen Sache“ sind der 11. und 18. September. Alle Eltern und Kinder sind willkommen. Mehr Informationen zu den Freiwilligentagen finden Sie hier.]

„Es muss dringend etwas passieren. Unser Kinderladen hat keinen eigenen Garten, wir sind darauf angewiesen, rausgehen zu können“, sagt Nina Hofeditz. Mit Geldern für eine umfangreiche Sanierung ist allerdings vor 2022 nicht zu rechnen, sagt Esther Borkam. Und wo bleiben die Kinder, während die Politik über Fördergelder diskutiert? Bis die Spielplätze wieder ihnen gehören, werden die Kids wiederkommen.

Jana Böhm

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