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Berlin: Sprüche abklopfen

Wer warme Füße hat, kriegt keine Erkältung, Schnaps hilft verdauen, Äpfel ersetzen Ärzte – stimmt das? Wir haben die beliebtesten Weisheiten mal überprüft

In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist

Wird dem römischen Satiriker Juvenal (ca. 60 bis 130 n. Chr.) zugeschrieben – hat der nur nie so gesagt. Eigentlich enthielt sein berühmter Spruch die Vorbemerkung, man müsse „darum beten“, dass dem so sei. In seiner Sprache klang das so: „Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano.“ Und gemeint hat Juvenal es dann noch anders, nämlich ironisch. Ähnlich wie heute gab es in der römischen Gesellschaft eine Art Fitness-Kult, und Juvenal wollte andeuten, dass bei vielen Muskelmännern die geistigen Fähigkeiten mit den körperlichen wohl nicht Schritt hielten. Ach, es wäre wünschenswert, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist wohnen möge…

Und dennoch: Es ist etwas Wahres dran, auch wenn der Zusammenhang laut dem Freiburger Psychosomatik-Experten Joachim Bauer, der sich mit der Wechselwirkung von Leib und Seele auseinandersetzt, „nicht so platt“ sei, wie viele meinen. Bauers Theorie ist ein bisschen verwickelter: Was wir denken und fühlen, sei die Folge von körperlichen Erfahrungen. Selbst von etwas zu sprechen, sei nur möglich, wenn an diesem Vorgang Nerven-Netzwerke beteiligt sind, die normalerweise unsere körperlichen Aktivitäten steuern. „Denken und Sprechen ist insgeheim Probehandeln“, sagt Bauer. Umgekehrt aktivierten unsere Handlungen „auch die assoziativ dazu gehörenden Gedanken und Gefühle“. Bauers Fazit: „Die Seele steckt tief im Körper. Und ein Körper der sich nicht bewegt, der nicht körperlich empfunden wird, lässt auch große Teile der Seele inaktiviert.“

Vom Mittagessen wird man müde

Unausrottbar in Firmenkantinen. Aber: Eigentlich ermüden wir „unabhängig davon, ob wir viel, wenig oder gar nicht gegessen haben“, sagt der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley. Versuche mit Testpersonen im Schlaflabor ohne natürliches Licht als Taktgeber der inneren Uhr haben gezeigt: Die Probanden gönnten sich grundsätzlich ein Nickerchen in der Zeit von 13 bis 14 Uhr – auch wenn sie nicht wussten, dass es gerade zwischen 13 und 14 Uhr war. „Wir schlafen, weil unser biologischer Rhythmus uns dazu anhält“, sagt Zulley. Mittags essen wir bloß zufällig kurz bevor das große Gähnen einsetzt.

Hauptsache warme Füße

Besorgte Eltern achten darauf, dass die Füße ihrer Kinder warm bleiben, um Erkältungen vorzubeugen. Dabei ist unter Medizinern immer noch umstritten, ob Erkältungen durch niedrige Temperaturen ausgelöst oder auch nur begünstigt werden. Dr. Christian Flesche, Chefarzt der Anästesiologie am Krankenhaus Cuxhaven und ehrenamtlicher Seenotarzt, der als solcher oft mit Unterkühlung zu tun hat, hält folgenden Zusammenhang für möglicherweise mitverantwortlich: Erspürt unsere Haut über spezielle Sensoren Kälte, leitet der Körper ein umfassendes Schutzprogramm ein. Das Blut wird aus den entlegeneren Partien, aus Händen, Füßen und der Haut, ins überlebenswichtige Körperinnere zurückgezogen. Auch die Nasenspitze wird kühl. Möglicherweise leiten schon kalte Füße über Nervenreflexe diesen Prozess ein und schwächen so auch die Immunabwehr in Nase und Rachen. Denn dort verengen sich die Äderchen; die Schleimhäuten kühlen und trocknen aus. Mit der verminderten Blutzufuhr verringert sich auch die Zufuhr von Immun-Abwehrstoffen. Auf den Schleimhäuten haben Viren und Bakterien dann bessere Chancen – vor allem in überheizten Räumen mit dem erkälteten Kollegen gleich gegenüber. In Polarstationen, wo nur wenige Forscher beisammen sind, treten Erkältungen übrigens selten auf – trotz kalter Füße. Auch die Eskimos kannten keinen Schnupfen.

Bei schlechtem Licht lesen, verdirbt die Augen

Mottenkiste. „Schummerlicht verdirbt die Augen nicht, es machen sich nur versteckte Fehlsichtigkeiten dabei stärker bemerkbar", sagt Georg Eckert, Augenarzt und Sprecher des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands. Durch helles Licht hingegen verengen sich die Pupillen, wodurch kleine Sehfehler kompensiert werden können.

Nach dem Essen hilft ein Verdauungsschnaps

Es stimmt und stimmt wieder nicht, dass der Schnaps nach einem schweren Essen dem Magen hilft. Zwar regt Alkohol die Produktion von Magensäure an. Möglicherweise unterstützt er den Magen auch dabei, ein Enzym namens Pepsinogen auszuschütten, das beim Verdauen von Eiweißen hilft. Außerdem hat Schnaps betäubende Wirkung auf die Magennerven und täuscht übers Völlegefühl hinweg. Aber: „Er hilft nicht bei der Fettverdauung", sagt der Gastroenterologie-Professor Hans-Dieter Allescher vom Zentrum für Innere Medizin im Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Vielmehr spaltet der Verdauungstrakt vor dem Fett erst einmal den Alkohol selbst auf, weil sich auf diese Weise einfacher Energie gewinnen lässt. Durchsetzt mit Schnaps, wird fettreiche Kost also eher langsamer verdaut.

Und: Spazieren gehen hilft beim Verdauen

Tatsächlich fördert leichte Bewegung nach dem Essen die Verdauung. Sie regt die Ausschüttung der Magensäure an und vermischt die Speisen mit ihr, um sie schneller in den Darm transportieren zu können. Die Magensäure stimuliert ihrerseits die Ausschüttung von Hormonen des Dünndarms. Dort wird der Brei in die Nährstoffe gespalten, die kurz darauf in die Lymph- oder Blutbahnen gelangen.

Ein Apfel pro Tag ersetzt den Doktor

Tut er natürlich nicht. Wahr ist, „dass eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Obst die Gesundheit fördert und vor Krankheiten schützt, die von der Ernährungsweise mit bedingt werden", sagt Isabelle Keller von der DGE: Krebs zum Beispiel oder Herz-Kreislauf-Schäden. Äpfel und anderes Obst unterstützen zudem die Abwehrkräfte des Körpers gegen schädliche Mikroben und helfen, den Blutzuckerspiegel zu regulieren und Entzündungen zu bekämpfen, mit dem Mix aus Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen und so genannten sekundären Pflanzenstoffen. Pflanzliche Lebensmittel enthalten mehr als 30 000 dieser Substanzen, darunter Farbstoffe, Wachstumsregulatoren und Abwehrstoffe gegen Schädlinge und Krankheiten. Experten empfehlen etwa 400 Gramm Gemüse und 250 Gramm Obst pro Tag, verteilt auf zwei bis drei Portionen.

„…Kirschen gegessen, Wasser getrunken, Bauchweh, tot.“

Stimmt – aber ohne „tot“ und anders, als man denkt. Zum einen sind nicht nur Kirschen gemeint, sondern alles Steinobst, also auch Aprikosen oder Pflaumen. Isst man viel davon, ein halbes Kilo zum Beispiel oder mehr, kann der Bauch tatsächlich anschwellen. Schuld ist aber nicht das Obst – sondern die Hefepilz-Keime, die auf der Schale sitzen. Sie lassen den Fruchtzucker im Magen gären, wodurch sich Gase bilden. Zwar tragen alle Obstsorten Keime. Aber kleines Steinobst hat relativ zur Fruchtgröße eine beträchtliche Oberfläche – also viel Schale bei wenig Inhalt –, außerdem essen wir mehr davon als von Äpfeln oder Birnen. Wer also viele Kirschen oder Pflaumen isst, mutet seinem Magen auch viele Keime zu. Zwar killt die Magensäure solche Mikroben normalerweise, wer aber zum Obst noch Wasser trinkt, verdünnt die Magensäure und verwässert ihre Wirkung. Omas Warnung hatte aber noch einen anderen Grund. Während deutsches Trinkwasser heute scharf kontrolliert wird, war es früher viel stärker mit Keimen belastet.

Saunen entschlackt – und: Entschlacken ist gesund

Manche Naturheilkundler und Alternativ-Mediziner bezeichnen mit Schlackenstoffen Zwischen- oder Endprodukte des Stoffwechsels, die sich angeblich im Gewebe angelagert haben, weil sie nicht verwertet oder ausgeschieden werden konnten. Folglich soll das Entschlacken, etwa in der Sauna, beim Fasten oder durch Einläufe, den Körper innerlich reinigen – was sehr umstritten ist. „Im Stoffwechsel des Menschen fallen keine Schlackenstoffe an“, sagt Hans-Joachim Zunft vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. Der Organismus sei imstande, „alle Endprodukte des Stoffwechsels über Niere, Darm, Lunge oder Haut auszuscheiden“. Schwitzen in der Sauna und Fasten könne aus anderen, auch seelischen Gründen heilsam sein – „Schlacken“ würden so nicht beseitigt, das sei „Blödsinn“ und Werbung für Entschlackungskuren folglich unlauter.

Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König, Abendessen wie ein Bettler

Als Tipp zum Abnehmen oder auch nur zum Halten des Gewichts, ist das ein sinnloser Rat. „Der Zeitpunkt der Kalorienaufnahme ist nicht wesentlich“, sagt Isabelle Keller von der DGE. „Wer dauerhaft zu viele Kalorien zu sich nimmt, egal ob morgens, mittags oder spätabends wird zunehmen.“ Wer sein Wohlbefinden steigern möchte, sollte mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich nehmen. Abends bescheiden zu essen, erspart aber immerhin das Völlegefühl, das auch den Schlaf stört. Denn der Darm arbeitet nachts langsamer und lässt fettes Essen wie einen Stein im Magen liegen. Faustregel: Nach 19 Uhr essen, tut nicht gut.

Selbstbefriedigung macht dumm und verkrümmt das Rückgrat

Na gut, man weiß schon ein wenig länger, dass das nicht stimmt. Aber: Neuerdings geht man sogar davon aus, „dass häufiger, auch selbst herbeigeführter Samenerguss das Risiko, an Prostata-Krebs zu erkranken, um ein Drittel senken kann“. Je öfter die Leitungen durchgespült werden, umso weniger bleibt hängen, was die Zellen schädigt", vermutet der australische Wissenschaftler Graham Giles vom Cancer Council Victoria in Melbourne.

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