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Berlin: SSV: Der Renner: Poröse Herrenschlüpfer

Vor 50 Jahren war der 31. Juli 1950 ebenfalls ein Montag.

Vor 50 Jahren war der 31. Juli 1950 ebenfalls ein Montag. Und es war ebenfalls Start des Sommerschlussverkaufs - der erste echte nach dem Krieg in Berlin. Auch das Wetter war damals nicht besser - 10 Grad in der Nacht zum Montag vor 50 Jahren war auch nicht gerade viel. Ein Jahr zuvor, im Juni 1949, hatten erstmals Textil-, Schuh- und Lederwarenhändler beim Magistrat Saison-Schlussverkäufe beantragt. Der Tagesspiegel schlug damals vor, diese Händler besser "Blockade-Endverkäufer" zu nennen. Das Bedürfnis "nach solcher Reinigung", wie sie Saison-Ausverkäufe darstellen, mute doch kurz nach Aufhebung der Blockade etwas sonderbar an.

Vom 25. Juli bis zum 6. August 1949 gab es trotzdem zwei "billige Wochen" - braune Boxcalf-Schuhe "mit prima Kreppgummisohle für nur 12 Mark 50" waren im Angebot. Dafür zu werben, war damals schwer - der Schlussverkauf beruhte auf der nationalsozialistischen Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 26. Februar 1935. Danach war den Firmen verboten, "Preisherabsetzungen durch Gegenüberstellung der früheren und der während des Verkaufs gültigen Preise in einer Weise anzukündigen, die für außerhalb der Geschäftsräume befindliche Kauflustige erkennbar sind". "Diese Vorschrift erscheint uns reichlich veraltet", kritisierte der Tagesspiegel.

1950 endete das "Fest der Käufer" - so warb Karstadt am 31. Juli für seinen Sommerschlussverkauf bis zum 12. August 1950 - mit einem "Sturm auf die Reste". Mit dabei "im großen Rennen um den kleinsten Preis" war das KaDeWe mit Nylon-Strümpfen I. Wahl für 4 Mark 90 und "Herrenschlüpfern, Slipform, porös" für 1 Mark 28. "Die Käufer betonten, dass sie trotz der niedrigen Preise keine schlechte Ware erstanden hätten", war am 12. August 1950 im Tagesspiegel zu lesen. Zum Sommerschlussverkauf vor 50 Jahren zählten Ost-Berliner noch zur Käuferschar, erstmals wieder waren sie es dann heute vor zehn Jahren. "Bei DDR-Kunden waren Pelze der absolute Renner", überschrieb der Tagesspiegel am 31. Juli 1990 einen Bericht über den ersten Sommerschlussverkaufstag. "Sensationell" nannte damals KaDeWe-Chef Stratmann den "Nachholbedarf der DDR-Bürger". Diese interessierten sich überwiegend für nützliche Dinge, während sie bei modischem Firlefanz eher zurückhaltend reagierten. Einen Käuferansturm wie schon lange nicht mehr registrierte 1990 auch der Chef von Karstadt am Hermannplatz. Über seine Kunden aus der DDR sagte er: "Man kann sie allenfalls am Akzent noch gelegentlich unterscheiden, am Outfit längst nicht mehr. Modisch haben sie sich ganz schnell angepasst."

Heidemarie Mazuhn

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