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Der Eingang des Kriminalgerichts Moabit. Im Berliner Mordprozess gegen Rocker der Hells Angels wegen tödlicher Schüsse in einem Wettbüro werden weitere Plädoyers erwartet.

© dpa

Staatsanwaltschaft geht von Mord aus: Urteil im Rocker-Prozess erwartet

Waren die tödlichen Schüsse in einem Wettbüro ein Mordauftrag? Verteidigung und Staatsanwaltschaft sind unterschiedlicher Auffassung.

Zum Ende hin geht es unerwartet schnell: Im Mordprozess gegen Rocker der Hells Angels, der seit fast fünf Jahren vor dem Landgericht läuft, waren die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung nach nur drei Tagen beendet. Das Urteil soll nach derzeitiger Planung voraussichtlich am 1. oder 2. Oktober verkündet werden.

Staatsanwaltschaft geht von Auftragsmord aus

Am inzwischen 298. Prozesstag hatten am Donnerstag zunächst die Verteidiger des Todesschützen plädiert. Der 30-jährige Recep O. war es, der am 10. Januar 2014 in einem Wettbüro in der Reinickendorfer Residenzstraße auf den 26 Jahre alten Tahir Ö. geschossen hatte. Er stand an der Spitze eines Trupps von 13 teilweise vermummten Männern. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Mord aus, den der mitangeklagte Rocker-Boss Kadir P. aus Rache in Auftrag gegeben habe. Für acht der zehn Angeklagten forderten die Staatsanwälte in der vorigen Woche lebenslange Freiheitsstrafen.

Die Verteidigung von O. plädierte nun auf einen Schuldspruch wegen Totschlags. Es gebe „keinen einzigen Beweis“ für einen Aufruf, in das Wettspiel-Café zu fahren und an einem Mord teilzunehmen. Kurz vor Betreten des Lokals sei O. eine Pistole in die Hand gedrückt worden – „für ihn überraschend“. Mit der Waffe in der Hand sei er vornweg gegangen. Weil er dann das „Gefühl“ hatte, Tahir Ö. habe eine Bewegung gemacht, habe er Angst bekommen und geschossen. So habe es O. bei der Polizei zu Protokoll gegeben und zudem mehrere Personen bezeichnet, die mit ihm im Wettbüro gewesen seien. Es sei bei der Strafhöhe seine Aufklärungshilfe zu berücksichtigen.

Um Strafmilderung durch Aufklärungshilfe geht es auch für Kassra Z., der als „Kronzeuge“ gilt. Die Staatsanwälte plädierten auf zehn Jahre Haft wegen Mordes. Die Verteidiger forderten nun einen Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Einer der Anwälte begründete unter anderem: „Ich bin davon überzeugt, dass nicht alle, die ins Lokal gingen, alles wussten.“ Und die Verteidiger verlangten, dass der Haftbefehl gegen Z. aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt werden soll. Ihr Mandant befinde sich seit fünf Jahren und acht Monaten in Untersuchungshaft. Der 32-jährige Z. steht unter Zeugenschutz.

Anwälte verzichten auf Plädoyers

In dem brisanten und bislang größten Rocker-Prozess Berlins hatten die Anwälte von sieben Angeklagten überraschend auf ein klassisches Plädoyer verzichtet. In einer Sammel-Erklärung hieß es, aus ihrer Sicht würde jedes Argument gegen die „absurde“ Mordtheorie verpuffen. Das Gericht habe im Prozess „durchgängig den Eindruck erweckt, dass es den Vortrag der Verteidigung zwar wahrnimmt, dies aber ausschließlich unter dem Aspekt, ihn möglichst sofort als widerlegt und unglaubwürdig, bedeutungslos und unbeachtlich abarbeiten zu können“. Am 30. September sollen die Angeklagten Gelegenheit zum Schlusswort erhalten.

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