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Staatsbesuch aus Jemen: Erst zu Wowereit, dann zum Zahnarzt

Den Aufwand gab es sonst nur für George Bush, Wladimir Putin, den Papst und die Queen. Der Staatspräsident von Jemen, Ali Abdullah Saleh, weilte bis gestern in der Stadt. Die Polizei ärgert sich über das Privatprogramm, das der Jemenit noch dran hängte.

750 Polizisten waren im Einsatz, einige hundert davon aus anderen Bundesländern. In der Polizeiführung wurde offen kritisiert, dass für einen derartig „kleinen und unwichtigen“ Wüstenstaat ein derart großer Aufwand getrieben werden musste. Die Verärgerung wurde noch größer, als Saleh seinen Besuch kurzfristig um einen Tag verlängerte – um sich medizinisch behandeln zu lassen. Dem Vernehmen nach war er am Donnerstag zunächst beim Regierenden, dann in einer privaten Zahnklinik. Gestern hielt er sich wegen einer medizinischen Behandlung im Virchow-Klinikum auf. Die Kosten für die Bewachung trägt der Steuerzahler; im Präsidium fiel das Wort „Märchenprinz“. Doch Berlin hat keinerlei Möglichkeit etwas zu ändern. Mit dem Hinweis auf „internationale protokollarische Gepflogenheiten“ wird jede Kritik an Aufwand oder Kosten abgebügelt.

Hintergrund der ungewöhnlich starken Bewachung Salehs ist die Gefährdungseinschätzung durch das Bundeskriminalamt. In dieser – üblicherweise geheimen – Analyse heißt es, dass in Berlin viele Angehörige eines mit Präsident Ali Abdullah Saleh verfeindeten Clans leben. Tatsächlich hatten an der Wegstrecke eingesetzte Bereitschaftspolizisten ein besonderes Augenmerk auf arabisch aussehende Personen. Am Donnerstagabend wurde ein junger Araber vor der Nationalgalerie gleich von drei Beamten eingekreist. Zwar hatte Saleh offiziell nur die zweithöchste Gefährdungsstufe 2 (siehe Kasten), viele Maßnahmen erinnerten Beobachter jedoch an Gäste mit der höchsten Stufe 1. So fuhr ein Notarztwagen in der Kolonne mit, aus der Luft wurde der aus 50 Limousinen, Motorrädern und Mannschaftswagen bestehende Konvoi von einem Polizeihubschrauber beobachtet. Da zum Beispiel am Donnerstagabend die Wegstrecke sehr frühzeitig abgeriegelt worden war, brach der Verkehr zusammen. Autofahrer machten sich mit einem Hupkonzert Luft, nachdem sie eine halbe Stunde auf dem Reichpietschufer festgesteckt hatten.

Erst gestern um 15.45 Uhr verließ Saleh Berlin wieder, eine halbe Stunde später war der berühmte „Point of no return“, bei dem die Polizeiführung aufatmen konnte. Denn erst wenn die Maschine des Gastes denjenigen Punkt auf einem Flug überschritten hat, an dem sie im Notfall nicht nach Berlin zurückkehren könnte, kann die Anspannung endgültig weichen. Erst vor zwei Wochen, beim Besuch des israelischen Premiers Ehud Olmert, waren bis zu 2000 Berliner Polizisten im Dienst gewesen, mehrere hundert mussten aus anderen Bundesländern ausgeliehen werden. Wie berichtet, bekommt Berlin seit der Einigung mit dem Bund für diese sogenannten hauptstadtbedingten Sonderausgaben 60 Millionen Euro von der Bundesregierung. Mit dieser Pauschale, um die Berlin jahrelang gekämpft hatte, muss die Sicherheit bei Demos und Staatsbesuchen gezahlt werden. Im Vorjahr gab es 402 Besuche, die vom „Zentralen Begleitschutz- und Verkehrseinsatzkommando“ der Polizei begleitet wurden. Ein Gast hatte die Stufe 1. Sechzehn die Stufe 2 und 165 die niedrigste Stufe 3. 220 Besucher waren als ungefährdet eingestuft, wurden jedoch ehrenhalber eskortiert.

Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, 1999 waren es noch 131, dann war von 200 bis 300 pro Jahr die Rede. Der Aufwand ist vor allem bei den Stufen 1 und 2 immens. Besonders schwierig wird es, wenn ein Gast viele Termine hintereinander hat. Das kostet jeweils hunderte von Polizisten mehr, weil zeitgleich verschiedene Orte gesichert werden müssen. Bei George Bush vervielfacht sich der Kräfteeinsatz, weil Zehntausende gegen ihn demonstrieren. Wenn dagegen Politiker wie Blair oder Chirac, die sonst die Stufe 2 haben, nur zu einem Kurzbesuch im Kanzleramt einschweben, wird Gefährdungsstufe Stufe 3 bestimmt.

Als nächster Gast wird am 6. März der Premierminister der Sozialistischen Republik Vietnam, Nguyen Tan Dung in Berlin erwartet. Er wird vom Bundeskriminalamt als wenig gefährdet eingestuft.

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