zum Hauptinhalt

Berlin: Staatsbibliothek voller Asbest: Sanierung dauert sieben Jahre

Bauarbeiten im Scharoun-Bau an der Potsdamer Straße bei laufendem Betrieb Mitarbeiter müssen in Container ziehen, Bücher werden teilweise ausgelagert

In der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße steckt Asbest. Erste Gerüste am Gebäude und Baucontainer auf den Parkplätzen sind nach Auskunft von Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf nur die Vorboten eines „gewaltigen Bauvorhabens“. Asbesthaltig sind die Klimaanlage, Brandschutzkanäle, Feuerschutzklappen, diverse Fensterabdichtungen. Nach ersten Vorbereitungen soll die groß angelegte Asbestbeseitigung im zweiten Halbjahr beginnen und bis 2012 dauern – bei laufendem Betrieb. Für die Sanierung hat das zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 63 Millionen Euro veranschlagt. Weder für Mitarbeiter noch für Besucher bestünden Gesundheitsrisiken, heißt es in der Staatsbibliothek. „Niemand muss hier Angst haben“, versichert die Generaldirektorin.

Denn erst vor wenigen Tagen ergaben jüngste Messungen, dass bei 13 Raumluftkontrollmessungen nur drei Messpunkte auffallend waren (etwa im Bereich Lesesaal/Pflanzbecken) und eine geringe Asbestbelastung aufwiesen. Dabei handelt es sich um 100 Fasern pro Kubikmeter Luft, der maximal zulässige Wert liegt bei 1000 Fasern. Ein Gesamtbericht soll Mitte März fertig sein. Das krebserregende Asbest ist, wie es heißt, durch Schutzanstriche gebunden.

Kaum einer der rund 3000 Besucher täglich weiß bisher, was die von Tag zu Tag wachsende Zahl von Bau- und Bürocontainern oder was die Gerüste am Magazinturm bedeuten. Der Parkplatz wird bald keine Autos mehr aufnehmen können. Die „Stabi“ hielt sich bislang mit Äußerungen über ihr Asbest-Problem zurück. Am Reichpietschufer steht unauffällig ein Bauschild, das über die anstehenden Arbeiten informiert. Im Haus gab es bisher zwei Mitarbeiterversammlungen, in denen das Personal auf die Umstellungen vorbereitet wurde. An die große Glocke hängte man das Problem nicht.

Dabei „wird das gesamte Haus einmal umziehen“, sagt Barbara Schneider- Kempf. Abschnittsweise müssen die Mitarbeiter für jeweils sechs bis acht Wochen vors Haus in Bürocontainer ziehen, Bücher werden in andere Magazine gebracht oder ausgelagert. Bibliothekare müssen Unterdruckkammern und Mitarbeitern einer Entsorgungsfirma in Schutzanzügen Platz machen. Die Transportwege durchs Haus müssen festgelegt werden – eine logistische Herausforderung. Der Lesesaal wird teilweise gesperrt, wohl aber erst 2007. Ein genauer Zeitplan liegt nach Auskunft der Baubeauftragten des Hauses, Daniela Lülfing, noch nicht vor. Auch in ihrem Büro kleben – ebenso wie im Steglitzer Kreisel – seit längerem auf Pfeilern und Rohren Asbest-Warnungen. In den Magazinen sind etliche vertikale Lüftungskanäle nicht nur mit Warnzeichen, sondern auch mit Rammschutz versehen, damit nicht durch Transportwagen Schäden entstehen und Asbest frei wird.

In der Staatsbibliothek wird halbjährlich die Luft untersucht. Vor fünf Jahren seien zwei Fundstellen „sofort gereinigt“ worden, heißt es. Vor zwei Jahren wiesen die Grünen im Abgeordnetenhaus auf krebserregende Mineralfasern in der Stabi-Luft hin, die Mängel wurden nach Auskunft des Hauses sofort beseitigt. Vor zwei Jahren waren die Haushaltsmittel für die komplette Asbestsanierung gesichert. Seither wurde an einem Konzept dafür gearbeitet. Im November begannen die ersten Vorbereitungen.

Das Konzept sieht vor, dass ausgehend vom Dach des Magazinturms, wo die Luft angesaugt wird, die Klimaanlage stückweise nach unten erneuert wird. Um die Luftversorgung sicherzustellen – viele Fenster lassen sich nicht öffnen – , werden etappenweise provisorische Klimaanlagen installiert, die Luft ins Haus blasen. Dazu muss die Fassade stellenweise aufgebrochen werden – deshalb derzeit die Gerüsttürme am Magazinbau. Die asbesthaltigen Teile werden später unter höchsten Sicherheitsauflagen verpackt und aus dem Haus gebracht.

„Der ganze Bau wird nie total eingerüstet sein, die Asbestbeseitigung ist kleinteilig“, sagt die Generaldirektorin. Das gesamte Haus mit seinen 5,5 Millionen Büchern zu schließen, sei angesichts der Besucherzahlen und der Bedeutung des Hauses auch für Studenten nicht ratsam.

Der lange Sanierungszeitraum ist für die Stabi ein Manko. „Aber wir haben ja zwei Häuser“, tröstet sich die Generaldirektorin. Nur: Im Gebäude Unter den Linden wird ebenfalls saniert und neu gebaut, bis 2011. Die Staatsbibliothek, seit einem Jahr unter Denkmalschutz, war 1978 eröffnet worden. Sie entstand nach Entwürfen des 1972 verstorbenen Architekten Hans Scharoun.

Christian van Lessen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false