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Blumen in Gedenken an die Opfer des Anschlags liegen in der Innenstadt von Hanau.

© Andreas Arnold/dpa

Staatsschutz ausbauen, Gefährder überwachen, Waffen entziehen: Berliner Grüne legen Forderungen gegen Rechtsextremismus vor

Antje Kapek und Benedikt Lux fordern konsequenteres Vorgehen gegen Rechtsextremisten. Ihre Vorschläge sollen in der Koalition besprochen werden.

Von Sabine Beikler

Erst vor ein paar Tagen forderte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, die antisemitische Website „Judas Watch“ dauerhaft zu sperren. Jetzt legen Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek und ihr Parteikollege, der Innenpolitiker Benedikt Lux, einen Forderungskatalog vor, in dem sie ein konsequenteres Vorgehen gegen Rechtsextremisten fordern.

Nach den Morden in Hanau, Kassel, Halle und den NSU-Morden seien Politik, Sicherheitsbehörden und alle Demokraten in Berlin aufgefordert, „nie wieder Rechtsextremisten die Straßen und die Köpfe zu überlassen“, sagen Kapek und Lux.

Bedroht werden auch Politiker in Berlin. Auf der englischsprachigen, antisemitischen Website „Judas Watch“ werden 1807 Personen und Institutionen aufgeführt, darunter 385 in Deutschland. Genannt werden unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Heiko Maas (SPD), der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und Berliner Politiker wie der SPD-Fraktionschef Raed Saleh, Staatssekretärin Sawsan Chebli, Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

„Diskutieren reicht nicht mehr“, sagte Fraktionschefin Kapek. Gemeinsam mit Lux hat sie den Forderungskatalog „Nazis in Berlin bekämpfen“ erarbeitet, der in der Koalition besprochen werden soll.

Lux fordert Verschärfung des Disziplinarrechts

Deutschland und Berlin müssten die rechtsextremistische Terrorwelle mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen, fordern die Politiker. Auch wenn es in Berlin in letzter Zeit keine Anschläge gegeben habe, sei man doch besorgt darüber, dass es immer noch keine Ermittlungserfolge bei der Aufklärung rechtsextremer Straftaten in Neukölln gebe.

Die Berliner Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek.
Die Berliner Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek.

© imago images/Sven Simon

Auch in Berlin gebe es Verdachtsfälle von Rechtsextremisten im Öffentlichen Dienst und in Sicherheitsbehörden. Lux fordert eine Verschärfung des Disziplinarrechts. Schon bei einem bloßen Verdacht von „menschenverachtenden oder rechtsextremen Äußerungen oder Verhaltens“ müsse der Vorgesetzte dies verpflichtend melden und ein Disziplinarverfahren einleiten. Sollte der Vorgesetzte dies unterlassen, werde gegen diesen selbst ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

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Rechtsextreme Gefährder müssten konsequent überwacht werden. Lux und Kapek fordern, dass der Staatsschutz gegen Rechtsextremismus ausgebaut wird. Bei den Ermittlungen gegen die kürzlich verhafteten Rechtsextremen rund um die „Gruppe S.“, die offenbar gezielt Anschläge auf Moscheen planten, „muss der Generalbundesanwalt mögliche Berlin-Bezüge unmittelbar an das Berliner LKA melden“, sagt Lux. Dadurch könne man Gefährder einstufen und Sicherheitsgespräche führen. Der Verfassungsschutz solle nicht nur rechtsextreme Strukturen beobachten, sondern seine Kenntnisse rechtzeitig den Polizeibehörden vermitteln.

Grüne wollen Rechtsextremisten die Waffenerlaubnis entziehen

Nach dem Anschlag von Hanau fand man bei dem Attentäter mehrere Pistolen. Tobias R. hatte eine Waffenbesitzkarte und einen europäischen Waffenschein. Er äußerte sich rassistisch und hatte wirre Verschwörungstheorien.

In der Diskussion um das Waffenrecht fordern die Grünen, Rechtsextremisten konsequent zu entwaffnen und ihnen die Waffenerlaubnis zu entziehen. „Alle Behörden müssen verpflichtet sein, Anhaltspunkte für eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit der Waffenbehörde zu melden. Die Polizei muss standardmäßig das Nationale Waffenregister abfragen, wenn sie von Hass, Bedrohung und Gewalt Kenntnis erhält“, fordern die Grünen. Waffenbesitzer müssten alle drei Jahre überprüft werden. 

Analog zum Aufbau eines Gefährdermanagements nach dem Attentat auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016, bei dem alle Verfahren gegen einzelne zusammengeführt werden, fordern die Grünen einen „360-Grad-Ansatz gegen Rechtsextremisten“.

Diesen sogenannten 360-Grad-Blick gibt es in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Es geht nicht nur darum, Täter nach einer Tat zu überführen, sondern schon niedrigschwellig einzugreifen. Die Grünen fordern das Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden schon bei kleinsten Verstößen von Rechtsextremisten.

Kapek und Lux wollen die politische Bildungsarbeit in Schulen verstärken und regen an, dass Rechtsextremisten an bestimmten Orten, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, nicht mehr demonstrieren dürfen.

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