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© David von Becker

Stadtentwicklung: Bronx bleibt Bronx: Soldiner Kiez vs. Helmholtzplatz

Der Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg und der Soldiner Kiez in Wedding: zwei Gebiete mit gleichen Startbedingungen Das eine entwickelte sich zur schicken Gegend, das andere blieb Hinterzimmer der Hauptstadt. Ihm fehlt die gute Nachbarschaft.

Beide Gebiete waren schon vor zehn Jahren soziale Brennpunkte, zählten zu den ersten Experimentierfeldern des Quartiersmanagements: hohe Arbeitslosigkeit, Drogenhandel und Beschaffungskriminalität, leer stehende Wohnungen, verwilderte Grünanlagen. Der Soldiner Kiez in Wedding und der Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg, Berlins „Ostbronx“ , waren ganz unten. Heute schieben an der Lychener Straße Mittdreißiger Kinderwagen zum „Kiezkind-Café“, trinken ihre Latte und blicken auf blitzblanken Außenstuck. Anders der Soldiner Kiez: Neun von zehn Schulkindern stammen nicht aus Deutschland, die Erwerbslosigkeit ist eine der höchsten Berlins, unter der Panke-Brücke sammelt sich der Abfall vom Discounter. Nur in einem Ortsteil gelang die Wende – warum?

In Berlin öffnet sich die Schere weiter zwischen besseren Vierteln und sozialen Brennpunkten – auch nach mehr als zehn Jahren Quartiersmanagement. Inzwischen reagiert der Senat: „Aktionsräume Plus“ heißt die neue Linie. An die Stelle kleiner Quartiere mit großen Problemen rücken größere, gemischte Gebiete. So soll Geld aus verschiedenen Fördertöpfen ankommen, wo es wirklich nottut. Und die schlechten Viertel sollen von den besseren profitieren.

Hartmut Häussermann glaubt an das Prinzip. „Gäbe es den Kollwitzplatz nicht, hätte sich der Helmholtzplatz nicht so gut entwickelt“, sagt der Soziologe. Er verfasst für den Senat Berichte über die soziale Entwicklung der Stadt. Gute Lagen strahlten in „konzentrischen Kreisen“ auf ihre Umgebung aus. Der frühere Quartiersmanager des Helmholtzplatzes Heinz Lochner sagt: „Der Kollwitzplatz verkörperte schon zu DDR-Zeiten den Mythos Prenzlauer Berg.“ Wer nach Berlin kam, wollte da hin. Das ist noch heute so. Wer die Mieten am Kollwitzplatz nicht zahlen kann, weicht in die Seitenstraßen aus. Oder zum Helmholtzplatz.

Wozu braucht man da noch Quartiersmanagement? „Wir hatten ein Problem mit den ,Freunden der Flasche’“, sagt Lochner. Und mit Drogendealern. Die einen hatten mit ihren Hunderudeln das Trafohäuschen auf dem Platz besetzt, die anderen dealten in offenen Treppenhäusern von verfallenen Altbauten. Die „Stadtmanager“ rodeten das Gebüsch auf dem Platz, bauten das Toilettenhäuschen zum Nachbarschaftsheim um und das Trafohäuschen zum Café. Sie stellten Bänke auf, legten Spielplätze an, organisierten Weihnachtsmärkte – und gewannen in endlosen Debatten die Anwohner für ihre Sache. „Sie haben den Platz für alle Bewohner zurückerobert“, sagt Häussermann. Der Rest kam von selbst: In den fünf Jahren, die diese Eingriffe dauerten, wechselten Studenten in den Beruf. Ende des Jahres wird die einst geschlossene Struwwelpeter-Schule wieder geöffnet.

Und der Soldiner Kiez? „Der liegt abgehängt im Stadtraum“, sagt Häussermann. Die S-Bahn umschließt das Gebiet von Norden bis Osten wie ein Graben und trennt es von der historischen Mitte. Im Süden und Westen schließen andere Brennpunkte an. „Hinterzimmer der Hauptstadt“ nennt Quartiersmanagerin Katja Niggemeier ihn deshalb und „Transitraum“. Hier steigt ab, wer in Berlin Fuß fassen will: Angehörige der Migranten oder Studenten. Aber wer es sich leisten kann, zieht wieder weg. Ein paar „soziologische Inseln“ entstanden an der Prinzenallee oder Grüntaler Straße, Hausgemeinschaften mit Bioladen im Hof, sagt der frühere Quartiersmanager Reinhard Fischer. Auch die Künstler der „Kolonie Wedding“ gehören dazu. Und Jugendclubs wie das „puk a malta“.

Das größte Problem des Kiezes ist der Müll. Die BSR holt fast jede Woche Sperrmüll aus den Hinterhöfen. Und der Bezirk hat kein Geld für Jugendarbeit: Die Ausgaben wurden von 2009 auf 2010 gekürzt. Die Wüste wächst, weil auch Jugendclubs wie an der Badstraße schließen. Schlägereien? Vor allem häusliche Gewalt, heißt es im Kiez. Zwar spielt auch der Rockerkrieg zwischen Hells Angels und Bandidos im Quartier. Doch der greift nicht auf die Kiezbewohner über.

Ist das Quartiersmanagement ein stumpfes Schwert? „Wir können keine Jobs schaffen“, sagt Niggemeier. Die soziale Ausgangslage in Wedding sei nicht vergleichbar mit der in Prenzlauer Berg. Das war auch schon vor zehn Jahren so.

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