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In Lichtenberg hat Andreas Geisel viele Projekte initiiert, um den Bezirk familienfreundlicher zu machen. So ließ er vom Schäfer Matthias Breutel (links) eine Brache beweiden.

© IMAGO

Stadtentwicklungssenator für Berlin: Andreas Geisel und sein Leitbild Lichtenberg

Rechte vertreiben, Kinder anlocken – Andreas Geisel, Bezirksbürgermeister und Stadtentwicklungssenator in spe, hat das in seinem Bezirk geschafft. Nun soll ganz Berlin von Lichtenberg lernen.

Sehr nahe saßen sie sich bei der Vorstellung. Und sehr nahe sind sie sich. Sagt zumindest der eine, auf den es ankommt: der scheidende Stadtentwicklungssenator Michael Müller, der nun Regierender Bürgermeister wird. Dem anderen gibt er nun sein altes Amt, weil der ähnliche Vorstellungen hat, wie man die Stadt einzuschätzen hat und wie sie mit ihrem starken Wachstum am besten umgeht. Der Neue ist Andreas Geisel und ist bisher Bürgermeister von Lichtenberg – einem Bezirk, der boomt und inzwischen wieder gerne in Berlin als beispielhaft herumgezeigt wird. Was kann die Stadt von Lichtenberg also lernen? Und was hat der Bürgermeister hier bewegt, zumal Müller selbst sagt: „Was Müller nicht richtig gemacht hat, wird Geisel korrigieren“?

Der so Gelobte bei der öffentlichen Vorstellung der neuen Ressortchefs in Müllers Kabinett deutete gleich an, was sein Leitfaden für die zunächst zwei Jahre als Stadtentwicklungssenator sein wird: Geisel will in Berlin „die Kinder- und Familienfreundlichkeit stärker in den Fokus rücken“. Und wer das für eine Floskel hält, der irrt. Denn mit just dieser Politik hat der Sozialdemokrat den Bezirk Lichtenberg von der Pein befreit, als eine Hochburg der Rechten zu gelten.

Genau genommen waren es mehrere Eingriffe, die Lichtenberg zu seinem heutigen Image verhalfen vom alten DDR-Neubauviertel zu einem angesagten Kiez mit Anschluss an die Partymeilen Friedrichshains. Da waren die Helfer und Gelder aus dem „Programm für Demokratie und Toleranz“, da war das Aufbegehren der Händler und Gewerbetreibenden aus dem Weitlingkiez, die sich nach Jahren des Wegschauens dem NPD-Umzug in den Weg stellten. Vor allem war da aber das „Bündnis für Wohnen“.

Erfunden hat Geisel diesen Zusammenschluss privater, genossenschaftlicher und landeseigener Wohnungsunternehmer nicht, „wir haben uns das von Hamburg abgeschaut“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das bewährte Modell haben sie in den Amtsstuben des Bezirks gut umgesetzt: 4000 Baugenehmigungen wurden in dieser Legislaturperiode erteilt; die Ämter versprechen entscheidungsfähige Anträge binnen weniger Wochen zu bearbeiten.

Ist das Leitbild übertragbar auf Berlin? Na klar!

Lichtenberg hatte dieses Beschleunigungsprogramm für Wohnungsbau aufgelegt, noch bevor Müller ein ähnliches „Neubaubündnis“ für ganz Berlin mit Bezirken und Unternehmen abschloss. Warum das gegen Rechte und andere Unzufriedene hilft? Weil das Baugeschehen, die Sanierung von Platten, die Entwicklung von Brachen durch Baugemeinschaften aus der Bürgerschaft und der damit verbundene Zuzug von Berlinern aus anderen Quartieren, „das Leben im Kiez so verändert, dass Glatzen keine Chance mehr haben“, wie Geisel erzählt.

Die Stadt sind eben die Menschen, die im Quartier leben. Und für Familien sollte ein Platz in der Stadt sein. 

Andreas Geisel hat es selbst erlebt, als er und seine Frau in Prenzlauer Berg nach der Geburt des ersten Kindes plötzlich das Grün vermissten und eine größere Wohnung nicht zu finden war. Deshalb zogen sie nach Lichtenberg. Und als er dort die Politik mitprägte, half die Ausrufung von Lichtenberg als „familien- und kinderfreundlicher Bezirk“, Familien anzulocken und Rechte abzuschrecken.

Und dieses Leitbild ist übertragbar auf Berlin? „Na klar“, sagt Geisel. Die Stichworte sprudeln aus ihm heraus: „Grünanlagen, Kinderspielpätze, bezahlbares Wohnen, öffentlicher Nahverkehr, Radwege, Sanierung von Schulgebäuden.“ Das gelte es zu stärken, damit die Familien in der Stadt bleiben und die Kieze stärken.

Dabei will Geisel auch einen Fehler seines Vorgängers nicht wiederholen: die Stimmung in der Bevölkerung falsch einzuschätzen. Müller war mit seinen Bauplänen am Tempelhofer Feld spektakulär gescheitert. „In der Frage der Bürgerbeteiligung bin ich selbst noch ein Suchender“, sagt Geisel. Wenn die Umgestaltung eines Quartiers oder Bauprojekte bei Abendveranstaltungen diskutiert werden, seien oft nur „Lobbygruppen“ oder Rentner zugegen – junge Familien nicht. Wer nur das Internet nutze, erreiche die Älteren nicht. Die richtige „Form der Bürgerbeteiligung“, auch dafür will er eine Lösung finden, der designierte neue Bausenator. Nach Lichtenberger Art.

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