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Auf historischem Grund. Am Petriplatz haben Archäologin Claudia Melisch und Team bereits wichtige Vorarbeiten geleistet. Bei Ausgrabungen fanden sie nicht nur alte Grundmauern, sondern auch Reste von Haushaltsgegenständen aus vergangenen Jahrhunderten.

© Doris Spiekermann-Klaas

Stadtgeschichte zum Minimaltarif: Ein Zentrum für das historische Berlin am Petriplatz

Das Archäologische Zentrum, in dem die Geschichte Berlins präsentiert wird, hat die erste Hürde genommen – aber was soll es bringen?

Der Grundstein zur Realisierung eines für die Geschichte Berlins zentralen Projektes ist gelegt, die ersten Reaktionen positiv: Der Ausschuss für Stadtentwicklung hat sich, wie berichtet, einstimmig für die Finanzierung des Archäologischen Zentrums am Petriplatz ausgesprochen. Der Neubau, der auf den freigelegten Grundmauern der historischen Lateinschule errichtet werden soll, soll die Geschichte von Cölln und der mittelalterlichen Doppelstadt Cölln-Berlin erlebbar machen. Ein entsprechendes Konzept hat der Berliner Landesarchäologe und Chef des Museums für Vor- und Frühgeschichte Matthias Wemhoff vorgelegt. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz soll den Neubau betreiben.

Ein Fragezeichen bleibt: Montag muss der Bauausschuss, danach der Haushaltsausschuss zustimmen. Eine breite rot- schwarze Mehrheit trägt das Vorhaben, das im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Unruhe verursachte deshalb der erste Entwurf des Haushaltsplans, aus dem die Anschubfinanzierung des Landes wieder verschwunden war. Dabei trägt Berlin nur 1,5 von rund 14 Millionen Euro Investitionskosten. Der Rest sind Zuschüsse von Bund und EU. Dennoch lehnt der Regierende Bürgermeister das Projekt angeblich ab. Wegen der Betriebskosten von rund 200 000 Euro im Jahr, heißt es. Eine Aussage aus der Kulturverwaltung war dazu nicht zu erhalten.

Die Bundestagsabgeordnete Monika Grütters (CDU) sagte, durch das Projekt sei eine „langfristige Sicherung der wenigen Spuren der Geschichte Berlins“ gewährleistet. Die Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag war an den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag von SPD und CDU beteiligt. Durch das Archäologische Zentrum und den archäologischen Fenstern werde sich Stadtgeschichte „buchstäblich offenbaren“. Eine „großartige Entscheidung“ nannte auch der Direktor des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte, Landesarchäologe Wemhoff, den möglich erscheinenden Durchbruch für das Projekt. Ohne die Wiederbelebung des Petriplatzes sei die ganze historische Doppelstadt Cölln-Berlin nicht erlebbar. Am Petriplatz, „in Cölln“, entdeckten Archäologen einen Holzbalken und datierten ihn auf das Jahr 1212 (plus/minus 10 Jahre), erst 1244 wird Berlin erstmals urkundlich genannt, es ist also die älteste Spur der Stadt – bis zur nächsten Ausgrabung.

Und davon wird es bald ganz viele geben: „70 Prozent der historischen Stadt sind in Berlin noch unbebaut“, sagt Wemhoff. Unter dem Pflaster ist noch viel Stadtgeschichte zu entdecken. Und überall, wo gebaut wird, dürfen Archäologen vorher graben: Am Jüdenhof, südlich des Roten Rathauses, am Molkenmarkt, wo Straßen verlegt werden, und irgendwann im Marienviertel, westlich vom Rathaus. Münzen, Würfel, Nähnadeln, Porzellan und Glas, Knochen und Skelette sowie gotische Gemäuer wurden bereits gefunden. Noch fehlt es aber an einer zentralen Anlaufstelle, die diese Entdeckungen zur Schau stellt, ihnen die Geheimnisse entlockt über das Leben der ersten Berliner, deren Hausrat – und natürlich über den Grundriss der Stadt in dieser Zeit.

Genau das soll das Archäologische Zentrum leisten: Dorthin werden die Funde aus den Grabungen gebracht, gesäubert und konserviert. Auch die Magazine mit Grabungsobjekten kommen hierher. Besucher können Archäologen bei der Arbeit über die Schulter schauen und in den Grundmauern der Lateinschule den Maßstab mittelalterlicher Bauten erleben. Es wird einen „Shop“ geben mit Stadtgrundrissen, Karten und Souvenirs. Und das Zentrum wird Ausgangspunkt von archäologischen Führungen. Denkbar wäre eine Route über das Nikolaiviertel, zu den Grundmauern des gotischen Rathauses, zur Marienkirche. Von dort zum Archäologischen Fenster im Humboldtforum und über Breite Straße und am Galgenhaus aus dem 17. Jahrhundert vorbei, zum Zentrum zurück.

Große Bedeutung könnte das Zentrum auch für die Stadtentwicklung erlangen: Die Parzellen und die Straßenzüge des historischen Berlins unterscheiden sich von dem bekannten Bild der barocken Stadt, wie man sie etwa vom Gendarmenmarkt kennt. Eine Debatte zwischen Architekten, Stadtentwicklern und Denkmalschützern über eine Rekonstruktion des historischen Grundrisses oder Teile davon könnte von hier ausgehen. Mit der Rekonstruktion des Schlosses und der Umgestaltung der Breiten Straße, die das Zentrum mit dem Petriplatz verbindet, wird „Cölln“ ohnehin zu einem der zentralen Entwicklungspunkten der City.

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