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1980er Fanmagazin: Staubsauger wieder in der Potsdamer Straße

Das unabhängige Fanmagazin "Ich und Mein Staubsauger" war in den 80ern ein großer Hit in der Berliner Musikszene. Jetzt soll die Zeitschrift durch öffentliche Lesungen wiederbelebt werden.

In der Westberliner Musikszene der späten 1980er gab es eine Menge Zeitschriften. Nicht nur Anne und Trevor Wilson fanden die Texte schlecht recherchiert und die Bemühungen, hip zu sein, peinlich. Sie aber entschieden sich, etwas dagegen zu tun. Und so entstand das Fanzine: "Ich und Mein Staubsauger."

Zwei Jahre lang begeisterte der "Staubsauger" monatlich seine Leser mit schrägen Interviews, Kinokritiken und vor allem seinem frischen, ungehemmten Schreibstil. Den Nacktbildern und dem Humor ("wie immer haben wir nur über Bier, Sex und Musik geredet") konnte nicht jeder etwas abgewinnen, aber das Wachstum der Auflage – von 200 fotokopierten auf 2000 glänzende Exemplare, inklusive eines DDR-Vertriebs, zeugt von seinem Erfolg.

Nach der 25. Ausgabe lag der Staubsauger mehr als 20 Jahre brach und die Mitarbeiter, darunter Max Goldt, gingen getrennte Wege. Jetzt bekommt er eine Wiederbelebung durch öffentliche Lesungen in Berlin. Nach dem Auftakt im letzten Jahr in Neukölln, folgt am Donnerstagabend eine weitere Lesung im Ex’n’Pop, in der Potsdamer Straße. Der Club, der früher K.O.B. hieß, war fester Bestandteil der "Staubsauger"-Berichterstattung.

Für Trevor ergibt das heute nicht viel Sinn: "Das war damals." Ein Sex-Pistols-Konzert würde er ebenso nicht besuchen, denn er mache einfach keine Revivals. Er ist immer noch über die heutige Musikszene gut informiert und eine Dauerkarte bei Hertha hat er auch noch – doch das Fanzine gehört zu seinem früheren Leben und mit zwei kleinen Kindern hat er ohnehin wenig Zeit, Gigs zu besuchen.

Anne sieht jedoch einen Grund: Der Staubsauger stelle einen Abschnitt der Geschichte wunderbar dar. Als Stück authentischer Gegenwartsliteratur nahm ihn das Deutsche Literaturarchiv Marbach letztes Jahr in seine Sammlung auf, auch wenn seine Gegenwart längst Vergangenheit geworden ist.

Die Veranstalter der neuen Lesung sind Joy Markert und Sybille Nägele, Gründer des Literatur-Salons Potsdamer Straße. Sie sehen einen kulturellen Wert im "Staubsauger" und deshalb wird er neben Herwarth Walden, Herausgeber der Sturm-Zeitschrift im frühen 20. Jahrhundert, in die Lesungsreihe des Literatur-Salons aufgenommen. Für sie beschreibe der "Staubsauger" die damalige Szene in West-Berlin auf eigenartige Weise. Die Staubsauger'sche Form sei "fiktional, aber trotzdem Realität."

Maciej Szalonek, früher selbst "Staubsauger"-Fan, findet die Idee der Lesungen "eine klasse Sache." Der "Staubsauger" wäre immer ansprechender als andere Zeitschriften und vor allem "anders" gewesen. Den frühen Tod des Blatts betrauerte er aber nicht lange: "die Plätze waren noch da, die Bands waren noch da" und der Geist des Staubsaugers lebte in ihnen weiter.

Trevor Wilson ist heute noch stolz auf seine unverkennbar mit britischem Humor durchsetzten Texte. Allerdings verstand sie nicht jeder. Lachend erinnert er sich daran, wie die "Staubsauger"-Macher einst sogar wegen Beleidigung bestraft wurden. "Wir waren einfach unhöflich zu den Leuten." Ihre Freunde von den Toten Hosen brachten das Bußgeld mit einem Benefizkonzert auf. Als Gegengefallen organisierte der "Staubsauger" ein Konzert für die Band in der DDR – die Gitarren schmuggelten US-Soldaten über die Grenze.

Die DDR, die Grenze und den Staubsauger gibt es nicht mehr. Die Rolle des Fanzines wird heute vom Internet wahrgenommen, wo lokale Blogs wie der Spreeblick auf ein örtliches Publikum zielen können. Der "Staubsauger" wird also nicht allzu sehr vermisst, aber Sybille Nägele freut sich über solche Lesungen: "Sonst werden die guten Leute vergessen. Wir wollen ein Fest für die Potsdamer Straße machen."

Bei den aktuellen Lesungen machen Anne sowie die Autoren Tom Scheutzlich und Holm Friedrich mit, aber für neue Ausgaben des Fanzines sind sie nicht mehr zu gewinnen. Dass der "Staubsauger" archiviert wird, gefällt Anne aber und sie fände es schön, wenn er mal als Gesamtausgabe verlegt würde.

Einerseits hat Trevor Recht: Die Zeiten haben sich geändert, aber dennoch findet man im "Staubsauger" immer noch aktuelle Weisheiten, wie in der 2. Ausgabe: "Übrigens, finde ich, sollte man den Taxifahrern verbieten, bevor es hell ist, "Guten Morgen" zu sagen."

Lesung mit Anne Wilson und Tom Scheutzlich "Ich und mein Staubsauger". Donnerstagabend (28. Januar), 22 Uhr im Ex’n’Pop, Potsdamer Str. 157, veranstaltet vom "Literatur-Salon Potsdamer Straße". Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen zu "Ich und Mein Staubsauger" finden Sie hier.

Stephen Bench-Capon

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