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Alternativer Stadtführer: Unter uns

Wo kaufen Musiker ihre Lieblingskleidung? Und in welchem Club tanzt Jürgen Vogel? Ein Stadtführer verrät es.

Wenn Jürgen Vogel entspannen will, geht er schwimmen. Dafür fährt er einmal quer durch die Stadt, von seiner Wohnung in der City-West rüber zum Langen See, Höhe Schmöckwitz. Dort ist so viel Natur und der Schauspieler so ungestört, das muss man erlebt haben, sagt er.

Kann sein, dass Jürgen Vogel diesen Sommer nicht mehr so ruhig baden wird. Denn er hat seinen Tipp dem Musikjournalisten Manuel Schreiner verraten. Und der hat ihn aufgeschrieben – im „Indie Travel Guide Berlin“. Neben Vogel empfehlen darin 15 Berliner Sänger und Bands, welche Cafés, Clubs und Boutiquen der Stadt ihrer Meinung nach einen Besuch lohnen, welche Plätze und Parks man dringend gesehen haben muss.

Die Reichstagskuppel preist keiner an. Das „unnötige Standardprogramm“ wollte man bewusst aussparen, sagt Manuel Schreiner. Stattdessen sind einige der genannten Orte so speziell, dass nicht mal geborene Berliner sie kennen – und der Guide auch für sie Überraschungen bereithält. Elke Brauweiler, Sängerin der Band Paula, erklärt die Vorzüge der Kneipen Neue Odessa Bar und Lass uns Freunde bleiben, der Gitarrist von Tele empfiehlt einen Plattenladen in der Kastanienallee – mit einem angeblich höchst unfreundlichen Verkäufer, der Kunden wegen zu geringem Rockwissens schon mal des Ladens verweist. Sänger Maximilian Hecker schwört dagegen auf die Istanbul Lokanta in der Wichertstraße, da kostet jede Pizza nur 1,75 Euro, egal mit welchem Belag.

Auch Tomte-Sänger Thees Uhlmann hat sich beteiligt. Und ist mal wieder mit Abstand der Lustigste. Er empfiehlt eine Minigolfanlage in der Hasenheide („gut gewartet“), den Karstadt am Hermannplatz für den stilvollen Klamottenkauf und das Hamy Café in der Hasenheide, weil es die beste scharfe Kokosnuss-Suppe überhaupt biete, Gericht A1 mit Tofu sei aber auch nicht schlecht. Außerdem verrät Uhlmann den seiner Meinung nach schrägsten, unwirklichsten Ort der Stadt: die Jüterboger Straße in Kreuzberg, wo gegenüber der KFZ-Zulassungsstelle etwa 20 Container direkt nebeneinanderstehen. In allen diesen Containern kann man das Gleiche tun: Nummernschilder beantragen. Das muss man gesehen haben, findet Thees Uhlmann. Außerdem ist ganz in der Nähe sein Lieblings-Graffito: Mit weißer Farbe hat ein Unbekannter die Parole „Ich verschaffe mir Recht“ an die Wand gesprüht. Der Satz gefällt Uhlmann so gut, den will er auf jeden Fall als Songzeile auf die nächste Tomte-Platte schmuggeln.

Die mehr oder weniger Prominenten verraten auch, wo sie abends hingehen, wenn sie tanzen wollen. Maximilian Hecker ist dienstags im Cookies, Jürgen Vogel ist nachts nur noch selten unterwegs, aber wenn, dann feiert er am liebsten im Weekend im ehemaligen Haus des Reisens am Alexanderplatz. Sebastian Madsen, Sänger der vom Wendland nach Berlin umgezogenen Rockband Madsen, liebt das Rosi’s in der Revaler Straße („schräge Vögel überall – wirklich toll“), und Uhlmann hört sich gerne Konzerte im C-Club in Tempelhof an, trinkt dort aber niemals Rotwein, weil man an dem Gebräu glatt kaputtgehen könne.

Autor Manuel Schreiner sagt, dass er den Musikern keine Vorgaben gemacht hat. Dass sie empfehlen konnten, was immer sie wollten. Wahrscheinlich ist der „Indie Travel Guide“ gerade deshalb so gelungen. Weil der Leser nie das Gefühl bekommt, hier wolle ein Künstler sein Rockstar-Image pflegen. Stattdessen empfehlen die Musiker von Kissogram – sonst immerhin ständig mit Franz Ferdinand auf Welttournee unterwegs –, dass es ihnen am besten in Alt-Marzahn mit seiner backsteinfarbenen Dorfkirche und der Windmühle gefällt. Und Sebastian Madsen schwärmt von Diekmanns Austernbar im Hauptbahnhof. Der Laden ist so unrockig, dass er schon wieder rockt.

Der „Indie Travel Guide Berlin“ ist im Edel-Verlag erschienen, hat 128 Seiten und kostet 12,95 Euro.

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