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Auf ein GLAS mit: Ariadne von Schirach

Blütenweißer Damast bedeckt die Tische draußen vor der Tür der Tartane Bar. Auf der Torstraße rumpelt ein Laster vorbei.

Blütenweißer Damast bedeckt die Tische draußen vor der Tür der Tartane Bar. Auf der Torstraße rumpelt ein Laster vorbei. „Ist das nicht ein toller Kontrast?“, schwärmt Ariadne von Schirach. Die 30-jährige Bestseller-Autorin ist gerade mit einem „Ici, voilà!“ hereingewirbelt, leicht außer Atem, hat sich für die kleine Verspätung entschuldigt und sich gleich hinter der Glasfront der Bar auf eine der braunen Plastikpolsterbänke fallen lassen, unter dem „Liebespaar im Mokkaduft“ – einem riesigen Mosaik in Braun und Beige. „Das ist aus dem Palast der Republik gerettet worden“, erklärt sie.

Lange sei sie „auf der Suche nach der Bar des Vertrauens“ gewesen – jetzt ist sie „glücklich, dass ich die nun gefunden habe“. Als sie vor ein paar Jahren – gerade aus München zum Studium nach Berlin gezogen – zum ersten Mal auf der Torstraße stand, sei das ein „total urbaner Moment“ gewesen. Seitdem hat sie beobachtet, dass die Straße schicker wird. „Aber sie ist so groß und hässlich, dass sie sich widersetzt.“ Die Eröffnung der Tartane Bar bedeute zwar eine „weitere Kultivierung“, aber die Bar sei ja zum Glück „lässig“, nicht übertrieben schick, „überposh“, wie sie sagt. Eingerichtet ist der langgezogene Raum im Stil der 60er Jahre: Braun, Hellgrau, Rot, Plastik und Metall. Drinnen gibt es statt der weißen Decken blanke Tischplatten. Ohne das warme Licht und die Stuckdecke würde der Raum wohl wie eine sterile Flughafen-Lounge wirken. Die Bar mit ihrer schmalen Front füge sich harmonisch in der Torstraße mit ihren Supermärkten und schäbigen Internetcafés ein, findet Ariadne von Schirach. Sie weiß aber nicht recht, ob sie für oder gegen die Veredelung der Gegend ist. Dabei hat sie sonst zu allem eine sehr bestimmte Meinung, nennt sich eine „Philosophin“ und „Intellektuelle“. Und spricht Sätze wie diese: „Verbindlichkeiten in irgendeiner Form sind die notwendigen Vorbedingungen fürs Glück. Die Quellen des Unglücks sind die eigene Maßlosigkeit und unrealistische Ansprüche ans Leben.“ Es treibe sie um, die Welt zu analysieren. Ihre Meinung zur „Pornografisierung der Gesellschaft“ hat sie in ihrem ersten Buch „Der Tanz um die Lust“ auf fast 400 Seiten dargelegt, das 2007 zum Bestseller wurde. „Ich hatte damals eine große Wut darüber und habe die in Worte gefasst.“ Damit habe sie dazu „alles gesagt, was es zu sagen gibt“ und redet nicht mehr so gern darüber, hat das Buch aber „noch lieb“.

Es gibt noch mehr, über das sie nicht gern spricht: Zum Beispiel über ihren Großvater Baldur, den Reichsjugendführer der NSDAP. Überhaupt sei es eine weitere „Quelle des Unglücks“, wenn die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem zu sehr verschwimme. „Wie beim Pärchenporno von Angelina Jolie und Brad Pitt“, sagt sie und gerät fast ein bisschen in Rage, während sie kleine, kross gebratene Tintenfische isst.

Es ist kurz vor sieben. Die Bar zeige ihre Qualitäten erst ab 11 Uhr nachts, sagt Ariadne von Schirach. Sie hat zum Tintenfisch eine Rhabarberschorle bestellt, obwohl sie eigentlich lieber ein Glas Zweigelt getrunken hätte. Aber sie muss gleich weiter zu einer Lesung aus einem Buch über Madonna, zu dem sie ein Kapitel beigesteuert hat.

Manche mögen es uncool finden, Rhabarbersaftschorle zu bestellen. Sie nicht: „Rhabarbersaftschorle hat Zukunft. Die ist gesund, und gesund ist das neue ,cool‘“. Das habe sie in England bemerkt, wo sie gerade bei einem „Schreiburlaub“ an einem Buch über verschiedene Frauengenerationen arbeitet. Demnächst will sie mit dem Luxusschiff „Queen Mary 2“ von New York nach Southhampton schippern, und über ihre Mitreisenden schreiben. Hoffentlich gibt es an Bord auch Rhabarbersaft. Daniela Martens

Tartane Bar, Torstr. 225, montags bis sonnabends ab 18 Uhr, Tel. 0179-724 4080.

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