zum Hauptinhalt

Auf ein GLAS mit: Maliha Zulfacar

In Amerika spricht man von einem „Tumbleweed Moment“, wenn plötzlich mitten in einem Gespräch unangenehmes Schweigen entsteht: ein Augenblick wie in einem Western, wenn nur einer jener vertrockneten runden Tumbleweed-Steppenläufer-Büsche durch die Wüste geweht wird. So etwas passiert im Gespräch mit Maliha Zulfacar bestimmt nicht.

In Amerika spricht man von einem „Tumbleweed Moment“, wenn plötzlich mitten in einem Gespräch unangenehmes Schweigen entsteht: ein Augenblick wie in einem Western, wenn nur einer jener vertrockneten runden Tumbleweed-Steppenläufer-Büsche durch die Wüste geweht wird. So etwas passiert im Gespräch mit Maliha Zulfacar bestimmt nicht. Dafür hat die afghanische Botschafterin viel zu viel zu erzählen. Von ihrem Land und ihrem Leben. Einem Leben, indem sie sich oft gefühlt habe, wie einer jener Tumbleweed-Büsche: vom Wind durch die Welt geweht, sagt sie mit einem Lächeln. Nachdem sie sehr aufrecht ins Wiener Caffeehaus am Roseneck in Grunewald – man muss es so sagen – geweht ist. Ihr weißer transparenter Schal, den sie locker um den Hals trägt, ist hinter ihr hergeflattert.

Sie hat sich einen der kleinen runden Caféhaustische aus Marmor gesetzt, eine Tasse schwarzen Kaffee bestellt und ihre zusammengefaltete „Herald Tribune“ daneben gelegt. So sitzt sie hier im Wiener Caffeehaus oft morgens nach dem Joggen, liest Zeitung und sucht „ein bisschen Ruhe vor der Arbeit“ – nicht weit von der Botschaft entfernt.

Ihr Deutsch ist fließend, sie macht nur kleine Fehler. Aber dann spricht sie doch lieber auf Englisch weiter, der Sprache, in der sie in Kalifornien „Soziologie der Migration“ gelehrt hat: Sie liebe das viele Grün in Berlin und die „Culture of Cafés“. Ihr sei immer bewusst, dass sie all das hier ohne Angst genießen kann, und spüre deshalb ein Gefühl der Freiheit – anders als in Kabul. Nach dem Sturz der Taliban habe sie dort zwar eine Zeitlang ohne ständige Furcht in Cafés sitzen können. Aber seit den Selbstmordattentaten von 2006 sei das nicht mehr möglich. Dabei hört sie doch so gern den Leuten in ihrem Land zu: „Man trifft bei uns bei jedem Schritt eine interessante Geschichte. Und die Leute sind immer fröhlich und hoffnungsvoll – auch wenn es ihnen nicht gut geht.“ Aber auch im Caffeehaus trifft sie interessante Gesprächspartner. Das Caffeehaus, findet Maliha Zulfacar, sei eher „von der luxuriösen Art und von der Upper-middle-class“ bevölkert. Sie mag es vor allem wegen der „praktischen Lage“, aber auch, weil es hier das „beste Gebäck weit und breit“ gibt. „It has always been very angenehm here.“

Eigentlich sei sie ja eher der „Universitätstyp“, sie mag studentische Cafés. Aber davon gebe es nicht viele im Südwesten der Stadt. Und für die Fahrt nach Kreuzberg oder Prenzlauer Berg fehle ihr leider die Zeit. Ob man nicht ein Café in der Nähe der FU wisse? Professorin sei ihr „Traumjob“ gewesen. Aber als eine der wenigen gebildeten Afghaninnen fühle sie sich verpflichtet, ihrem Volk etwas „zurückzugeben“. Das tut sie nun seit zwei Jahren als Botschafterin in Deutschland, dem Land, in das es sie schon so oft verweht hat: Vorher kam sie bereits als „Touristin, Studentin und Flüchtling“. Das war 1979 nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan: „Man kann Afghanistan verlassen, aber es verlässt dich niemals.“ Daniela Martens

Wiener Conditorei & Caffeehaus Am Roseneck, Hohenzollerndamm 92 , Grunewald, Tel. 89 59 69 22.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false