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Stadtleben: Auf lässige Nachbarschaft

20 Bars in der Weserstraße feiern gemeinsam. Ihr Credo : Sagt nicht Kreuzkölln!

Neukölln ist cool. Und ziemlich ruhig an diesem Abend. Schmal und gepflastert ist die Weserstraße, auf den Fußwegen liegt Laub, die Fenster sind erleuchtet und auf den Fensterbrettern stehen Topfpflanzen hinter den Gardinen.

Am heutigen Sonnabend soll das hier anders aussehen. Dann startet für einen Abend die Weserrakete, ein Festival, rund um die Weserstraße. In zwanzig Bars gibt es den ganzen Abend Konzerte, Rock, Elektro, Soul und Jazz. Ein Motto gibt es nicht, jeder macht sein eigenes Programm. Die einen beginnen um vier Uhr nachmittags, die andern um zehn und bei allen soll es die ganz Nacht gehen.

„Im Februar hatten wir sechs Läden, jetzt haben wir zwanzig“, sagt Hamit, 34, und immer noch würden Leute auf ihn zukommen: „Wieso hat uns keiner gefragt?“. Tut mir leid, sagt er dann, aber er kenne sie gar nicht. Bis vor kurzem waren die paar Kneipen, die es im Kiez gab, an einer Hand abzuzählen. In den vergangenen drei Jahren hat sich der Kiez verändert, und zwar rasend schnell.

Hamit dreht sich eine Zigarette. Er sitzt im „Gelegenheiten“ in der Weserstraße mit dem Team von acht Leuten und bespricht das Programm. Von hier ließen sie im Februar die erste „Weserrakete“ starten. Die Idee war simpel. Eine Plattform für neue nette Kneipen in Neukölln, mit Musikprogramm, ohne Eintritt, damit man sich mal kennenlernt. „Wir waren erstaunt, wie gut das klappte. Plötzlich standen die Schlange auf der Straße“, sagt Hamit. Als er vor drei Jahren von Kreuzberg nach Neukölln zog, gab es nur ein paar Altberliner Eckkneipen und bei seiner Wohnungsbesichtigung war er der einzige Bewerber.

Dass es der Straße an einem netten Treffpunkt fehlte, fand nicht nur er und als er mit ein paar Freunden die alte Metzgerei in der Weserstraße entdeckte, machten sie daraus einen Verein. Die Barhocker, Kinosessel und Sofas wurden ihnen geschenkt. Das alte Schild vom Trödler „Gelegenheiten“ gab dem Laden seinen Namen. Nach dem Kinski wurde das „Gelegenheiten“ der erste Laden mit Konzert und Kinoprogramm jenseits des Kottbusser Damms. Studenten kamen von überall her und plötzlich schrieben alle gerne „Kreuzkölln“ in ihre Wohnungsanzeigen. Ein Wort, das auch nur ein „Prenzelberger“ erfunden haben kann, meint Hamit.

Er ist der einzige Berliner in der Runde. In Kreuzberg geboren und aufgewachsen, seine Eltern kamen vor 35 Jahren aus der Türkei. „Vor drei Jahren habe ich es dann zum ersten Mal über den Kottbusser Damm geschafft“, sagt er und lacht. Auch die anderen der Weserraketenrunde leben noch nicht lange in dem Viertel. Der Grund für den Umzug waren für die meisten die gestiegenen Mieten in Kreuzberg. So wie für Eva, Grafikdesignerin, die das Logo und die Website der Weserrakete gemacht hat. „Aber jetzt will ich nirgendwo anders wohnen.“

Neukölln ist gemischter, ruhiger, nicht so aufgeregt wie der Rest, finden sie. Hier passiert was, aber nicht zuviel. Am Wochenende soll es voll werden. Hipp wird es nicht. Aber cool.

Das Programm im Netz unter:

www.weserrakete.blogspot.com

Johanna Lühr

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