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Wildwest meets Wallis. Die Schweiz-Amerikanerin oder Amerika-Schweizerin Erika Stucky kombiniert die Jodler von Cowboys, Pygmäen und Älplern mit Pop oder Jazz. Privat darf es auch mal ein Beatles-Song sein, so wie bei ihrem Lieblings-Thailänder in Berlin, mit dem sie bei jedem Besuch Karaoke singt.

© Promo/Estelle Kromah

AUFTRITT DER WOCHE: Schweizer Künstlerin jodelt in Berlin

Die Jodelartistin und Sängerin Erika Stucky bringt zum Schweizer Nationalfeiertag ihren Jodelblues nach Berlin. Am Samstag tritt sie im Radialsystem V in Friedrichshain auf.

Ja grüezi wohl an den glitzernden Zürichsee! Da lebt Erika Stucky, die Alpen fest im Blick. Da schläft ihre Tochter, sweet little seventeen, obwohl es helllichter Nachmittag ist. „Hat die ganze Nacht gechattet“, sagt Stucky, „Teenager, you know“. Englische Vokabeln und ein leicht kehliger Schweizer Akzent purzeln durcheinander. Stucky ist eine, die als Frau wie als Künstlerin mehr als nur ein Leben oder eine Sprache hat.

Kommenden Sonnabend, am Vorabend des Schweizer Nationalfeiertags, tritt die Schauspielerin, Filmerin, Fotografin, Jodelartistin, Jazz- und Pop-Sängerin Erika Stucky in Berlin auf. Bei „Schweizgenössisch“ im Radialsystem V in Friedrichshain, wo es außer ihr und dem Alphornquartett „Hornroh“ am Sonnabend am Sonntag weitere gegen den Strich gebürstete alpenländische Musik vom Schweizer Oktett und dem Geiger Adam Taubitz und seiner Band gibt.

Eidgenossen sind eben doch ironiefähig. Sonst würden sie nicht ausgerechnet eine Künstlerin als Kulturbotschafterin nach Berlin oder zur Expo nach Schanghai schicken, die mit Stimme, Temperament, Witz und Musikalität Volksmusik zerpflückt, um sie zu was völlig Neuem, Wilden, Kitschfreien, mal archaisch Tiefgründigem, mal lässig Poppigem, komplett Phänomenalem zusammenzusetzen. „Die schicken mich rum, wenn es ,Swiss but not too Swiss‘ sein soll“, grinst Stucky durchs Telefon. Sie sei halt ein schweiz-amerikanisches Kuckucksei und spielt damit auf ihre Kindheit an, die die 1962 geborene Tochter Schweizer Ein- und Rückwanderer aus dem San Francisco der Flower-Power-Zeit in ein Bergdorf im Oberwallis beamte.

Ein Kulturschock, den Erika Stucky seither hingebungsvoll verarbeitet. Alpen und Hippies – das sind ihre Wurzeln. Herauszuhören auf ihren Alben, abzulesen an ihrem schrägen Geierwally-Bühnenlook und ihren psychedelischen Super-8-Filmchen. Was bringt sie außerdem mit nach Berlin? „Swiss Yodels, African Yodels, Cowboy Yodels, mein Mini-Akkordeon und mein Swiss Voodoo-Zeugs.“ Oha. Und überhaupt könne man auf den Dächern Berlins so gut jodeln wie in den Bergen. Es brauche Weite, Zungenfertigkeit, ein bisschen Technik wie Atmung und Kopf-Brust-Stimme, aber hauptsächlich Willen.

Hilflose Betitelungen wie Jodel-Diva, Anti-Heidi, Alpen-Punkerin trägt Erika Stucky mit Fassung. „Die Leute brauchen Schlagworte, ich nicht.“ Sie denkt auch nicht darüber nach, ob es irgendwie mutig oder überhaupt okay ist, einen Pygmäen-Jodler in den Bob-Dylan-Song „All I really want to do“ zu singen, wie auf ihrem Album „Suicidal Yodels“. „Ich mache das einfach.“

Nach Berlin kommt sie schon ein paar Tage früher, um Freunde wie den in Berlin lebenden Schweizer Regisseur Stefan Schwietert zu besuchen, der sie in seinem großartigen Musikfilm „Heimatklänge“ verewigt hat.

Das sei schon eine längere Affäre, die sie mit Berlin habe, sagt Erika Stucky. Nicht nur, weil ihre Plattenfirma Traumton in Schöneberg sitzt, sondern weil sie hier Auftritte hingelegt hat, die ihre 1985 gestartete Musikerinnenkarriere beflügelten. Zuletzt 2008 als „musikalischer Ehrengast“ beim Theatertreffen, gleich mehrmals beim Jazzfest unter anderem als Solistin der George Gruntz Band und in den Achtzigern, als sie mit ihrer ersten Formation „The Sophisticrats“ einige Jahre immer drei Wochen am Stück im Kreuzberger BKA sang.

Fast überflüssig zu sagen, dass Erika Stucky mit Musikantenstadl-Gejodel rein gar nix zu tun hat. Auch nicht mit virtuosem Sport-Jodeln. Die Schweizer Jutzer oder Zäuerlis seien melancholisch. „It’s not Party-Stuff, it’s Swiss Blues“, sagt Stucky und man meint, dunkles Alphorntuten über dem Zürichsee zu hören. Überall, wo sie hinreist, bringt sie Bergweh mit.

Sogar zu ihrem Lieblings-Thai. Immer wenn sie in Berlin ist, besucht sie Edd’s Restaurant in der Lützowstraße und singt mit dem Chef im Hinterzimmer Karaoke. Keine Gassenhauer wie „Grüezi wohl, Frau Stirnimaa“, sondern „Let it be“.

Radialsystem V, Sa 31.7., 20 Uhr: Erika Stucky und Hornroh, 24 Euro, So 1.8., 10-14 Uhr: Brunch mit Schweizer Oktett und Adam Taubitz & Band, 15 Euro

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