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Auftritt der Woche: The Phantom Band - Sie kamen aus dem Nichts

Lange kannte die Schotten niemand, beim letzten Konzert waren wenige Fans da Nun holt sich die Phantom Band den „Soundcheck Award“ ab – den Preis von Radio Eins und Tagesspiegel.

Wer es noch nicht weiß: Jeden Freitag um 21 Uhr gibt es einen Pflichttermin für alle, die an aktueller Popmusik interessiert sind. Um diese Zeit sendet Radio Eins den „Soundcheck“, bei dem vier Musikkritiker zwei Stunden lang über die wichtigsten CD-Neuerscheinungen der Woche diskutieren. Natürlich liegt der Reiz der Runde, bei der stets ein Mitglied der Tagesspiegel-Popredaktion beteiligt ist, in der Unvorhersehbarkeit des Kritikervotums. Da stürzen große Namen in der Gunst ins Bodenlose, werden chancenlose Außenseiter mit Lorbeeren bekränzt und Langweiler mit einem kollektiven „geht in Ordnung“ abgestraft, der wohl tödlichsten aller Wertungen zwischen den Extremen viermal „Hit“ und viermal „Niete“.

In dieser Woche kann man den Kritikern über die Schulter schauen: Erstmals wird der „Soundcheck Award“ für die beste Platte des vergangenen Jahres verliehen, was im Kreuzberger Lido mit einer öffentlichen Live-Sendung und anschließendem Konzert der Preisträger gefeiert wird. Qualifiziert für den Award waren ausschließlich Alben, die mit der einstimmigen „Hit“-Höchstwertung bedacht wurden – das waren von über 200 besprochenen Neuerscheinungen 16.

Von diesen wurden in einem zweiten Schritt durch eine 38-köpfige Jury aus Kritikern, Musikern und Labelbetreibern vier Kandidaten für die Endausscheidung bestimmt. Die Überraschung: Durchsetzen konnten sich nicht die Favoriten The XX oder Grizzly Bear, deren Platten überall abgefeiert wurden, und ebenso wenig die mit Sympathiebonus gestarteten Blakroc, jene Kollaboration der Bluesrocker The Black Keys mit Hip-Hop-Größen wie Mos Def oder Q-Tip.

Es war ein Außenseiter, der mit seinem Debütalbum „Checkmate Savage“ die Trophäe erringen konnte: The Phantom Band. Die sechs Schotten, aufgewachsen in Nestern wie Aboyne oder Alford, kennen sich schon aus Schulzeiten. Vor fünf Jahren fingen sie an, in Glasgow unter wechselnden Namen wie Tower Of Girls, Les Crazy Boyz, Robert Redford oder Wooden Trees aufzutreten. Ihr daraus resultierender halb anonymer, halb prominenter Status in der äußerst umtriebigen Musikszene ihrer Wahlheimat gab den Ausschlag für den Bandnamen.

Wenn eine verschluffte Truppe wie die Phantom Band, an jeglicher Hypebildung desinteressiert, bislang quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit auftreten musste, ist das wenig verwunderlich, aber ein Jammer. Denn von den vielleicht 50 zahlenden Zuschauern bei ihren letztjährigen Auftritt im „Bang Bang Club“ am S-Bahnhof Hackescher Markt waren nicht wenige der Überzeugung, das Konzert des Jahres erlebt zu haben.

Wer nun immer noch nicht weiß, wohin er am Freitagabend seine Schritte lenken sollte, dürfte im günstigen Eintrittspreis für einem langen Abend, der ab etwa 1 Uhr nahtlos in Anja Casparis „Rock AG“ übergeht, ein letzte Motivationshilfe finden.

Freitag, 21 Uhr; Lido, Cuvrystraße 7, nahe U-Bahnhof Schlesisches Tor. Der Eintritt beträgt 5 Euro.

Jörg W, er

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