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Stadtleben: Aus dem Rahmen gefallen

Christoph Hartmann spielt Oboe bei den Philharmonikern und baut Räder Die Velos haben goldene Lenker und tragen einen ganz besonderen Namen

Das Rennrad mit dem goldenen Lenker und den prägnanten Lettern fällt auf. Sein Besitzer Christoph Hartmann fährt damit zweimal in der Woche von der Friedenauer Wohnung zur Philharmonie, seinem Arbeitsplatz. Sein Rad ist ein Pasculli, ein Prachtstück, eine Kombination aus italienischem Design und deutschen Ideen. Den Ideen eines Oboisten, der sich mit seiner eigenen Fahrradmarke einen Traum erfüllte.

„Früher, als der Kleine noch nicht da war, da bin ich öfter mit dem Radl gefahren“, sagt Hartmann. Mit dem „Kleinen“ ist der dreijährige Sohn Franz gemeint. Der Vater, 43 Jahre alt, dunkle Borstenfrisur, blaue Augen, Brille, tourt für 120 Konzerte pro Jahr durch die ganze Welt. Zuhause hat er sich eine private Welt erhalten: eine riesige verwinkelte Altbauwohnung, eine Arbeitswohnung im Souterrain und – ein schmucker Fahrradladen um die Ecke. „Ich war immer Musiker. Rennrad bin ich aber schon als Junge gefahren“, erklärt Hartmann die zwei Interessen, die sein Leben bestimmen. Er wuchs in der 30 000-Seelen-Kleinstadt Landsberg bei München auf und begann mit zwölf Jahren, Oboe zu spielen. „Das Instrument ist speziell, nicht jedermanns Sache“, sagt er. Die Blastechnik durch ein dünnes Rohrblatt, das der Musiker in seiner Werkstatt selbst zurechtschnitzt, sei anstrengend. Trotzdem - dem Jungen vom Land machte das Instrument so viel Spaß, das er später an das Konservatorium in Augsburg ging. Noch in der Endphase seines Oboen-Studiums an der Münchner Musikhochschule wechselte Hartmann zu den Stuttgarter Philharmonikern. Seit 1992 ist er einer von fünf Oboisten der Berliner Philharmoniker. „Jedes Konzert ist etwas Besonderes. Das Sich-Freuen, die Spannung, die tolle Musik — das spüre ich immer noch“, sagt Hartmann und lacht dabei. Noch nie habe er erlebt, dass sich einer der Orchestermusiker bei einem Konzert vor dem Publikum aus routinierter Langeweile heraus „gehen lasse“.

Überhaupt Langeweile. Ein Fremdwort für einen wie Hartmann, der daneben auch noch in seinem kleinen „Ensemble Berlin“ mitwirkt, Oboenschüler unterrichtet und häufig auf Italienisch palavert. Letzteres natürlich wegen der Pasculli – der maßgeschneiderten Räder, die ein befreundeter Rahmenbauer in der Nähe von Mailand anfertigt. Die verkauft Hartmann gemeinsam mit seinem Partner in seinem Laden. Der Preis für die individuelle Anfertigung liegt zwischen 1800 und 10 000 Euro. Seine Marke sei „in den Kreisen bekannt“, sagt der Oboist schmunzelnd. Die Dienste der Fahrradwerkstatt nutzten auch schon mal Radprofis, sagt Hartmann. Beim Veloton, dem Radrennen vor zwei Wochen, war Pasculli der technische Ausstatter.

Hartmanns Fahrrad-Faible hat auch bei seinen Kollegen Wirkung gezeigt. Etliche besitzen bereits ein Pasculli. Vielleicht auch deshalb, weil Pasculli gut klingt. Denn Antonio Pasculli ist ein sizilianischer Komponist, der Ende des 19. Jahrhunderts in Italien sehr populär war. Mit einem Stück auf seiner CD hat ihm der radelnde Oboist ein Denkmal gesetzt.

Mehr zum Musiker unter

www.christophhartmann.com

Liva Haensel

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