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Berlin im Jahr: Bernd Matthies' ultimativer Jahresrückblick auf 2010

Bei der S-Bahn gibt es überraschend Chaos, Hertha versucht sich an den Rekorden Tasmanias und Thilo Sarrazin diniert mit Matthäus.

Januar:

Das neue Jahr beginnt mit Schneegestöber, Eis und Kälte. Während der Verkehr auf den Straßen flüssig rollt, bricht der Betrieb der S-Bahn wieder einmal weitgehend zusammen. Ein Sprecher teilt mit, man werde die Züge bis Ende Februar nur noch von Montag früh bis Freitagnacht fahren lassen, um den Sonnabend und Sonntag zu gründlichen Überholungsarbeiten nutzen zu können. Als Ausgleich und kleines Dankeschön an die geduldigen Berliner kündigt er Wochenendtickets zum ermäßigten Preis an.

Februar:
Wegen der S-Bahn-Pause am Wochenende kommen immer weniger Fans zu Hertha BSC ins Olympiastadion. Nach der 0:3-Niederlage gegen Freiburg durch drei Eigentore von Arne Friedrich ist der Abstieg rechnerisch besiegelt. Manager Preetz bittet den DFB um Absage der restlichen Spiele mit Hertha-Beteiligung, da die Mannschaft nicht mehr zum Auflaufen zu motivieren sei. Im Restaurant Borchardt taucht ein unerwarteter Gast auf: Thilo Sarrazin. Er bestellt eine Flasche Mineralwasser und ein Wiener Schnitzel „mit zwei Bestecken“. Das andere Besteck ist nach Presseberichten für Verteidigungsminister Guttenberg, der empört dementieren lässt: Er könne sich ein ganzes eigenes Schnitzel leisten. Ein Irrtum: In Wahrheit hat Sarrazin mit Lothar Matthäus getafelt.

März: Finanzsenator Nußbaum kündigt die Erhebung einer Ampelmaut für Fußgänger an. Pro Überquerung werden 25 Cent von einer Chipkarte abgebucht, die jeder Fußgänger bei sich zu tragen hat. Ein sogenanntes Business-Ticket, das jeweils einen Euro kostet, darf auch bei Rot benutzt werden. Nußbaum führt es der Presse an der Ecke Ku’damm/Joachimstaler Straße vor und wird um ein Haar von einem Bus überfahren.

April: Das Olympiastadion wird zum Traumziel der anderen Bundesligamannschaften. Hertha tritt nur noch mit einem Platzwart als Torhüter an, aber die Spiele werden nach DFB-Vorgaben trotzdem angepfiffen. Am 24. April schafft Tabellenführer Schalke deshalb ein unangefochtenes 112:0, Bundesliga-Torrekord. Manager Preetz dementiert, dass Lothar Matthäus als Trainer für den Neuanfang in der zweiten Liga unterschrieben habe. Die S-Bahn pausiert an den Wochenenden immer noch. Ein Sprecher begründet dies mit dem starken Temperaturanstieg von minus 7 Grad (12. Januar) auf plus 15 Grad am 15. April. Die Steuerungselektronik der Züge sei dafür nicht ausgelegt.

Mai: Thilo Sarrazin kritisiert in einem Interview mit der „Frau im Spiegel“ den Berliner Senat. Viele Senatoren seien, so wörtlich, „Gurken und Pflaumen, die keine produktive Funktion haben, außer für den Obst- und Gemüsehandel“. Nach scharfen Protesten schließt ihn das Parteischiedsgericht aus der SPD aus.

Juni:
Michael Preetz stellt die neue Mannschaft vor, mit der Hertha den Wiederaufstieg schaffen will: Lothar Matthäus wird als Spielertrainer verpflichtet, Preetz selbst soll als Spielermanager den Sturm verstärken. Hertha-Urgestein Erich Beer (63) bietet Hilfe an: Er sei zwar nicht mehr so schnell, könne aber immer noch „tierisch hintendrin stehen“.

Juli:
Thilo Sarrazin tritt als Bundesbanker zurück und kündigt in einem Interview mit der „taz“ die Gründung einer eigenen Partei an, des „Bürgerbunds Klare Ansage (BKA)“. Vizechef wird der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, als Sportwart fungiert Lothar Matthäus. Die ersten S-Bahnzüge rollen nun auch wieder am Sonnabend; der Sonntag bleibt weiter bahnfrei, da an den Sitzbefestigungen der Baureihe 481 gefährliche Mängel festgestellt wurden. Michael Preetz, der seinen Dienstwagen nach dem Abstieg zurückgegeben hat, kippt in der S-Bahn mit einer solchen Sitzbank um und verletzt sich am Fuß.

August: In einer Umfrage der RBB- „Abendschau“ bringt es der BKA mit seinem Spitzenkandidaten Sarrazin bei der Sonntagsfrage auf einen Stimmenanteil von 37 Prozent. Der Regierende Bürgermeister Wowereit kündigt daraufhin an, er wolle die Abgeordnetenhauswahl 2011 zur Chefsache und zum Schwerpunkt seiner Parteiarbeit machen.

September:
Die Innenstadt verödet langsam, weil sich die Ampelmaut als Fußgängerverhinderungssteuer erweist. Nach zahlreichen Unfällen wird das Business-Ticket abgeschafft. Gleichzeitig erhalten Frühbucher einen 25-Prozent-Rabatt auf die Ampelmaut, wenn sie ihren Wunsch, eine Straße zu überqueren, eine Woche vorher ankündigen und sofort zahlen.

Oktober:
Hertha verliert gegen Union in der Alten Försterei durch ein Eigentor von Lothar Matthäus und rutscht ans Tabellenende der Zweiten Liga. Dennoch muntert der Star seine Männer auf: „Wir dürfen den Sand nicht in den Kopf stecken“. Letzte Hoffnung: Michael Preetz, der sich von der Verletzung aus der S-Bahn erholt hat.

November:
Eine neue Umfrage sieht den BKA bei einer absoluten Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Sarrazin und Buschkowsky kündigen an, dass sie nach einem Wahlsieg das Amt des Regierenden Bürgermeisters per Job-Sharing gemeinsam ausfüllen wollen. Buschkowsky: „Thilo zeigt seine Folien, und ich sage, was man drauf sieht.“

Dezember:
Die S-Bahn wird von einem unerwarteten Wintereinbruch erwischt und stellt den Betrieb ein. Lothar Matthäus schießt per Handelfmeter das erste Saisontor für Hertha BSC. Der BKA verbessert sich in den Umfragen auf 60 Prozent. Buschkowsky fordert die Aufstellung einer Mautampel im Hertha-Strafraum. Klaus Wowereit kündigt an, er werde den Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit auf konstruktive Opposition legen. Das Wahljahr 2011 kann beginnen. Bernd Matthies

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