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Berliner an Bord (4): Der Doktor fürs Deck

Yachten aus Holz sind begehrte Sammlerstücke - und sie werden immer beliebter. An der Havel in Spandau baut und restauriert Bernhard Welkisch solche Boote. Sein Geschäft boomt.

Von Susanne Leimstoll

Sieht aus hier wie bei irgendeinem Schrauber: niedrige Hütte, zwei Schreibtische auf ein paar Quadratmetern und der Boden fällt nach links hin ab. An der Wand ein kleines Arsenal Beschläge, daneben der Meisterbrief, ausgestellt in Lübeck, ein Regal mit Farben, Bildschirme, Drucker, geordnetes Chaos. Dies ist ein Fachbetrieb, hoch spezialisiert. Die 9,50-Meter-Z-Jolle vom Foto an der Wand gehört einem Kunden, der holt die Mitarbeiter gern zum Regattasegeln. Die Eigner der Alu-Yacht vom Bild auf dem Flur sind nach Spitzbergen gesegelt. Die kam als Rohbau an, jedes Stück hat das Team hier aus Teak- und Ahornholz selber gebaut, eingepasst: Schränke, Betten, Pantryzeile und mehr. Dazu Heizung, Nasszelle, Technik. Nach Skizzen und Maßtabellen. Exakt, individuell, nichts zugekauft. „Da muss man sich in den Kunden reindenken können“, sagt Bernhard Welkisch.

Genau das gefällt ihm am meisten an seinem Job. Und die Vielfalt. Bootsbauer müssen alles können, nicht nur Rumpf, Deck und Mast fertigen. Sie arbeiten mit Metall, Kunststoff, Lacken, Farben. Und vor allem mit Holz. Ihre Kunst fängt meist da an, wo die des Tischlers aufhört, die geschwungene Linie ist ihre Spezialität. Da kommen auch mal Theaterleute zu Bernhard Welkisch und fragen, ob er für Regiestar Bob Wilson elf Liegen in S-Form bauen kann.

Die kleine Werft, die Bernhard Welkisch, 49, zusammen mit seinem Kumpel Ralph Eckert betreibt, ist spezialisiert auf Holzbootbau. Der erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Ein zehnköpfiges Team restauriert und baut neu – innen und außen. Liebhaberstücke. Segelschiffe und Motorboote. In den Werkstätten und draußen im Gelände stehen sie aufgebockt: Binnenkreuzer, Zehn-Meter-Rennjachten und hübsche Angeber-Motorboote wie aus Fünfziger-Jahre-Filmen, und auf jeder kraucht jemand rum und arbeitet.

Die Werkstatt – ein paar Hütten: eine Halle mit 100, eine mit 200 Quadratmetern, drumherum Wiese, beinahe romantisch – liegt in Spandau direkt am Wasser. Bernhard Welkisch, gerade mal im Büro, stippt mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. „Det war hier“, sagt er. In diesen Hütten hat er seine Ausbildung gemacht beim Nachfolger von Bootsbau Otto Bollfras. Vor dem Abi hat er gejobbt bei Harry Reiffer, Bootsbaumeister. Namen, die man kannte. Mit16 durfte er Werkstatt fegen, Steganlage pflegen, Unterwasserschiff polieren, später mit dem Meister einen Mast aus Alu bauen oder eine Slipanlage. Was lag näher als Bootsbauer zu werden?

In Spandau ist Bernhard Welkisch groß geworden, als Steppke in die Scharfe Lanke gesprungen. „Eine Kindheit wie auf dem Land“, sagt er. Als er zwölf war, segelten seine Eltern einen kleinen Kielschwerter, auf der Unterhavel zum Wannsee, immer dicht ran an die Grenzboje. Das brachte ihn aufs Wasser. Der Junge sollte studieren, er wollte lieber was Greifbares schaffen. 1985 war er fertig, nach dreieinhalb Jahren Lehre. Von den älteren Lehrlingen hat er mehr profitiert als vom Meister. Kaum war er Geselle, hat ihn der Chef gefragt, ob er „den Laden übernehmen“ wolle. Bernhard Welkisch, groß, grinsend, die Arme überm T-Shirt verschränkt, sagt heiter: „Ick war eben einfach sehr jut.“ Sein Gesellenstück war eine O-Jolle, „Vollholz, keen Plastik“, sein Meisterstück ein Zwölf-Fuß-Dinghi. Den eigenen Betrieb starteten er und der Kompagnon 1992 mit zwei Azubis.

Heute bewerben sich immer wieder Quereinsteiger. Peter, 39, früher Kunstpädagoge, hat „die Schnauze voll vom Schulsystem“. Jetzt ist er Geselle. Statt großer Pause auf dem Schulhof bringt er gerade mit dem Hobel einen Steven in elegante Form. Stella, 30, hat im Marketing für Filmproduktionen gearbeitet. „Ich hatte das Gefühl, dass man ausbrennt in dem Job.“ Sie kommt ins dritte Lehrjahr, 2012 ist sie Gesellin. „Bei 35 Grad unter einer Plane zu arbeiten, strengt an, aber das sichtbare Ergebnis macht einen zufrieden“, sagt sie schwitzend. „Man muss die Leidenschaft für Boote haben“, sagt Welkisch. „Der Beruf hat viel mit Gefühl und Geschmack zu tun.“

Jetzt haben sie ihm eine Fünf-Meter-Yacht gebracht. Die wurde mal um zwei Meter gekürzt, das Welkisch-Team soll sie verlängern. Drei bis sechs Monate im Voraus ist er meist ausgebucht. „Wir leben auch gut vom Pfusch anderer Werften“, sagt Welkisch. „Viele haben ja keine Ahnung.“ Am 45er-Nationalkreuzer aus den Zwanzigern haben zwei Mann sechs bis acht Wochen zu tun: Bug kaputt, neues Deck. Das Deck des Schweizer Motorbootes hat einer allein gemacht. Der bisher größte Auftrag: die Zehn-Meter-Rennyacht zweier Brüder. „Das Schiff haben wir zu 90 Prozent neu gebaut, mit vier Leuten in sieben Monaten.“ 100 000 Euro kostet so was.

Klar hat Bernhard Welkisch ein Boot: Starboot, Rennkielklasse, sieben-Meter noch-was. „Kasten uff’m Wasser mit janz viel Segeln dran.“ Hat er mal von einem Kunden geschenkt bekommen. Ab und zu segelt er damit Regatta. Aber wenn er frei hat, kann er keine Boote mehr sehen, da fährt er Motorrad. Alle sieben Jahre ein Unfall, bisschen Schlüsselbein gebrochen, das Knie zerdetscht. Er strahlt, als er sagt: „Ick hab’ ne Renn-Guzzi.“

Bootsbau Welkisch, Am Pichelsee 50, Spandau. www.bootsbau-welkisch.de

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