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Berliner Bar: Nightwalker: Nur für Nachtschwärmer

Frank Lauterbach ist Kiezkenner, Cocktailmixer und war DJ schon in der DDR. Jetzt hat er eine ungewöhnliche Bar gebaut – an einem ungewöhnlichen Ort.

Keine Szene. Nirgends. Nur Wohnhäuser, eine Handvoll Grauemausläden, ein Spielplatz und etwas Eckgrün. Am äußersten Rand des Prenzlauer Bergs, östlich der Schnittstelle von Greifswalder und Danziger Straße, ist das In-Szene-Bringen des Stadtbezirks noch unerledigt. Hier regiert Schnitzel-König, und die Kneipen sind noch für Männer und nicht für Mütter mit spielenden Kindern. Das könnte sich ändern.

Frank Lauterbach ist kein Stadtplaner sondern gelernter Tischler. Er hat keinen Bebauungsplan, aber den Wahnsinn oder die Weitsicht, eine Bar zu eröffnen, wo es weit und breit keine andere gibt. Seit Wochen wummert hier drinnen die Bohrmaschine. Überall Kisten und Werkzeug. Kurz vor Eröffnung des „Nightwalker“ lächelte sich Lauterbach neulich den Baustaub vom Gesicht und sagte: „Das hier wird was ganz Besonderes.“

Frank Lauterbach war mal ein ziemlich bekannter Hund im Kiez – als Discjockey und Barbetreiber. Noch im DDR-Staat hatte er eine Ausbildung zum DJ gemacht. „Wir trafen uns jede Woche im Jugendclub Wilhelm Pieck“, erinnert er sich. „Wir hatten da die Möglichkeit, mit einer echten Anlage zu trainieren. Wir bekamen dann auch Hausaufgaben, zum Beispiel eine Begrüßung einzuüben.“ Am 19. Dezember 1989 hielt Lauterbach die reisepassgroße „staatliche Spielerlaubnis für Schallplattenunterhalter“ in den Händen, die ihm erlaubte, „Diskothekenveranstaltungen“ durchzuführen und dafür fünf Mark Stundenhonorar zu verlangen – das Papier mit der Nummer 858 hatte sofort Souvenircharakter: Schallplatte und Staat lagen im Sterben.

Lauterbach war das schnuppe. Die folgenden sieben Jahre tischlerte er wochentags Möbel, in den Wochenendnächten leuchteten seine kurzen roten Haare überm DJ-Pult. „Rockdiskothek Powerage“ hieß sein Einmannunternehmen in Anlehnung an ein AC/DC-Album.

Später, als es Usus wurde sich als DJ selbst zu labeln, nannte er sich DJ Red Fox. Mit seinen Mixed Tapes prägte er den Knaack-Sound der Neunziger Jahre. Die Gäste des Szeneclubs liebten seine spannungsvollen Mixe und rasanten Stilwechsel. Umgekehrt liebte Fox sein Publikum, weil es nie von der Tanzfläche flüchtete. „Ich hatte eigentlich nie einen festen Musikplan. Ich hab immer auf die tanzenden Leute geschaut und mir überlegt, was ich als nächstes spiele“, sagt er.

1998 wechselte DJ Red Fox wiederum das Fach. Erst verschwand das DJ-Kürzel, dann die rote Haarfarbe. Statt Rhythmen mixte er nun Drinks und Cocktails – im Tarot in der Sredzkistraße in Prenzlauer Berg. Eine Dekade später sah sich Fox nach einer neuen Örtlichkeit um. „Ich brauchte einen Tapetenwechsel, und ich hatte jede Menge Ideen im Kopf, die ich im Tarot nicht verwirklichen konnte.“ Er betrat die Terra Incognita in der Eugen-Schönhaar-Straße. „Hier gibt es nichts, wo ich persönlich was trinken gehen würde“, frotzelt er. Seine Nachbarn sind ein Elektroladen und ein Taxiunternehmen. Und natürlich die Anwohner, die sich seit Tagen die Nasen an seinen großen Fenstern plattdrücken, um zu sehen, was da drinnen vor sich geht.

Keine Chance. Die Scheiben sind von innen mit schwarzer Folie verklebt – weniger gegen Blicke als gegen den Angriff der Straßenlaternen. Eine düstere Sci-Fi-Aura durchzieht den großen Barraum und die Raucher-Lounge. Es gibt keine Tanzfläche, Fox ist jetzt 42. Augenfang sind die runden und stabförmigen Beleuchtungskörper an Wänden und Tresen, aus denen rätselhafte rote Schriftsymbole leuchten. Was die bedeuten? Fox grinst verschmitzt: „Man ist ja nicht jeden Tag bei Außerirdischen zu Hause.“

Nightwalker, Eugen-Schönhaar-Str. 6, Prenzlauer Berg, täglich 20–4 Uhr.

Ingo Meyer

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