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© Eventpress Radke

Berliner Dom: ''Jedermann''-Premiere mit Katarina Witt

Rad schlagen unter der Domkuppel: Die Botoxspritze für den mittelalterlichen „Jedermann“ kam in diesem Jahr in Gestalt von Katarina Witt. Und sie hat gewirkt.

Als Buhlschaft drückt Katarina Witt noch bis zum 25. Oktober dem Spiel um Tod und Teufel einen ganz eigenen Charme-Stempel auf. Am Mittwochabend war Premiere.

Alljährlich stehen im Berliner Dom die Jedermann-Festspiele an. Hugo von Hofmannsthals nach Art eines Mysterienspiels in Versen und altertümlicher Sprache erzählte Geschichte vom reichen Mann, der erst im Angesicht des Todes bereut und umkehrt, ist ja auch eine gute Einstimmung auf den Bußmonat November. Der Mensch braucht nun mal Rituale. Trotzdem helfen die jährlich wechselnden Stars, das Interesse wach zu halten an dem Stück, das im Dezember 1911 in Berlin im Zirkus Schumann unter der Regie von Max Reinhardt uraufgeführt wurde und seit 1987 regelmäßig von Brigitte Grothum inszeniert wird, anfangs in der Südsternkirche in Kreuzberg. Mehr als 350 000 faszinierte Besucher zählte laut Grußwort der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit seitdem.

In früheren Jahren hatten Stammgäste unter anderem Jenny Elvers und Barbara Becker als Buhlschaften erlebt und René Kollo und Georg Preuße als Jedermann. Letztes Jahr wurde Winfried Glatzeder als Jedermann gefeiert und in diesem Jahr eben Katarina Witt als Buhlschaft. Zwar fühle sie sich auf Kufen wohler, sagte sie bei der anschließenden Premierenfeier im Hilton. Aber die Rolle der Buhlschaft war um einige Tänze so liebevoll erweitert worden, dass mindestens die Zuschauer die Schlittschuhe nicht vermissen mussten. Kati Witt, wie sie mit nackten Füßen unter der Domkuppel auf dem Tisch tanzt und ein Rad schlägt, wie sie durch den Altarraum wirbelt, den Jedermann lasziv an ihren Busen zieht und wie eine Sirene Tango tanzt, da prickelt es selbst in solchen heiligen Hallen. Das Charisma, die Bühnenpräsenz der doppelten Olympiasiegerin ist nicht abhängig vom Auftrittsort. Beides wirkt auch in der Kirche noch.

Mit einiger Spannung war erwartet worden, ob die Ausnahmesportlerin mithilfe von Brigitte Grothum ihren Akzent loswerden würde. Sehr sensible Ohren mochten einen vielleicht der Aufregung geschuldeten Resthauch Sächseln hören, aber warum auch nicht. Das ist ja der Vorteil eines allegorischen Spiels. Buhlschaften gibt es überall, warum nicht auch in Sachsen. Geht es mit der Theaterkarriere weiter, wäre die Stimme allenfalls noch zu kräftigen. Auf dem Eis tanzt man stumm, da hat das Training also gerade erst begonnen. Eindrucksvoll war allerdings der wirklich gellende Schrei, mit dem die Buhlschaft dem todgeweihten Jedermann davonrennt.

Jedermann, souverän gespielt von Rüdiger Joswig, trägt die glitzrige lila Stola, die sie ihm um den Hals wirft, für den Rest seiner Erdentage wie einen Bußschal. Als er sich auf den Weg zum Schöpfer begibt, folgen ihm hart am Rande des Kitschigen die Darsteller mit großen Kerzen in der Hand als Prozession durch die Kirche. Auch Katarina Witt in ihrem rauschenden roten Kleid reiht sich ein.

Unter den Zuschauern saß ihre Trainerin Jutta Müller, die das Gefühl mit dem verglich, das sie hatte, wenn eine Kür den Preisrichtern vorgestellt wurde. Die zeitweise bloßen Füße beim wilden Tanz erklärte Katarina Witt nach der Premiere entwaffnend bodenständig: „Sonst verheddert man sich nur im Tischtuch.“ Sie fand den Abend schön und dem heftigen Applaus nach zu urteilen, fanden die Zuschauer das auch. Die Buhlschaft, die aus der Kälte kam, heizte den Dom ordentlich auf.Elisabeth Binder

Infos unter Tel. 20269132 und www.jedermann-festspiele.de

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