zum Hauptinhalt

Berliner Märchentage: Auf dem Sitzkissen einmal um die Welt

Wundern, staunen, lachen: Am Wochenende geht es im Nikolaiviertel um Feen, Zwerge und Riesen Zudem werden überall in der Stadt Geschichten vorgelesen – bei den 20. Berliner Märchentagen.

Teppiche, Kissen und eine gute Stimme – mehr braucht man nicht für eine Märchenstunde: 100 Kinderaugen sind aufmerksam auf die Frau im Sessel gerichtet. Sie spricht langsam und sehr betont von zwei Königen, einem Schäfer, einem goldenen Lamm und einer Tartarenprinzessin: Die Frau des ungarischen Botschafters, Judit Peisch erzählt Berliner Schülern ein Märchen aus ihrer Heimat – in einem Saal der Botschaft Unter den Linden.

Jedes Jahr im November wird Berlin zum Märchenland – bei den Märchentagen, die jetzt schon zum 20. Mal stattfinden. Es ist heute das größte Märchenfestival weltweit mit 150 000 Besuchern und 875 Veranstaltungen (noch bis zum 22. November). Viele Lesungen seien schon lange vor Beginn der Märchentage ausgebucht gewesen, sagt Silke Fischer, Direktorin des Deutschen Zentrums für Märchenkultur, das das Festival organisiert. Das Programmheft ist inzwischen ein ziemlich dickes Taschenbuch. „Im ersten Jahr passten die Veranstaltungen noch auf eine DIN-A4-Seite“, sagt Silke Fischer lachend. Damals, im Jahr 1990 haben „Ost- und Westberliner Märchenenthusiasten die Märchentage noch vor dem Wiedervereinigungvertrag ins Leben gerufen – unter dem Motto Märchen machen Mut“, sagt Silke Fischer

Und warum werden Märchenerzählungen und das dazugehörige Festival immer populärer? „Märchen sind Nahrung für die Seele“, sagt Silke Fischer. „Und die Essenz der Menschheitsgeschichte.“ Und zwar überall auf dem Planeten. Deshalb hat sie Konzept und Motto im Jahr 2000 verändert: „Da stand fest, dass Berlin Hauptstadt wird und wir wollten die Welt nach Berlin kommen lassen.“ Von da an wurde jedes Jahr ein neuer Kulturkreis vorgestellt. Und in diesem Jahr geht es wegen des Jubiläums sogar um alle Länder und Kulturen: „Weltgeschichten – von Schöpfern und Geschöpfen“ heißt das Motto.

Mehr als 20 Botschaften werden zu Orten des Märchenlands, aber auch Ateliers von internationalen Künstlern, Kirchen, eine Moschee, eine Synagoge, Museen, das Rathaus, das Abgeordnetenhaus und das Nikolaiviertel. Da ist nicht nur das Zentrum für Märchenkultur, sondern an diesem Wochenende auch der Märchenmarkt. Dort berichten Märchenerzähler von zauberhaften und fernen Welten, von den sieben Meeren und erzählen Geschichten aus den tiefsten Tälern und von höchsten Höhen. „Mit Märchen erreicht man jeden und öffnet Türen, die sonst verschlossen bleiben“, sagt Silke Fischer. „Märchen geben einen Wertekatalog mit: Man soll freundlich sein, hilfsbereit, sich nicht über andere stellen und Freunde suchen. Dann bekommt man den gerechten Lohn.“ In Krisenzeiten seien Märchen besonders beliebt – und das auch bei Erwachsenen.

„Märchen erfüllen eine Sehnsucht nach Reinheit, Gerechtigkeit und Ursprünglichkeit“, sagt Botschaftergattin Judit Peisch. Ihre kleinen Zuhörer Aaron, Gustav und Karl, sechs bis acht Jahre alt, sehen das etwas einfacher. Ihr Lieblingsmärchen ist Hänsel und Gretel. „Weil es so spannend ist, wenn die Hexe kommt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false