zum Hauptinhalt
308303_0_0864751d.jpg

© Thilo Rückeis

Berliner Märchentage: Nektar für die Elfen

Am Donnerstag beginnen die 20. Berliner Märchentage. Auch Joana Zimmer liest dabei – im Dunklen.

Der Menschenfresser hat knorrige Pranken. Joana Zimmer streicht mit ihren schlanken Fingern tastend über seine Hand. „Unheimlich“, findet die 27-jährige Pop-Sängerin, die seit ihrer Geburt blind ist. „Aber könnte das nicht auch der Rattenfänger von Hameln sein? Ich kann hier mehrere Kinderköpfe fühlen“, sagt Joana Zimmer. Sie steht an einem grauen Nieselregenherbsttag vor einer Skulptur am Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain. Der Menschenfresser ist eine der wenigen Märchenfiguren hier, die nicht für den Winter in einen schützenden Holzkasten eingepackt worden sind.

An kalten Tagen wie diesem erlebt man Märchen ja auch lieber im Warmen. Und zwar bei den Berliner Märchentagen, die vom 5. bis 22. November zum 20. Mal stattfinden. Diesmal unter dem Titel „Weltgeschichten – von Schöpfern und Geschöpfen“. Laut den Veranstaltern, dem Deutschen Zentrum für Märchenkultur, ist es das größte Märchenfestival weltweit – mit rund 1000 Veranstaltungen an mehr als 300 verschiedenen Orten: in Botschaften, Museen, Bibliotheken, Künstlerateliers, Theatern, Kinos, im Berliner Dom, in Schulen, im Legoland, in einer Moschee, einer Synagoge. Professionelle Märchenerzähler sind dabei zu erleben, aber auch prominente Vorleser wie Wolfgang Huber, Georg Kardinal Sterzinsky, Rabbinerin Gesa Ederberg, der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, Finanzsenator Ulrich Nußbaum, Anne Will, Otto Sander, Lea Rosh, Kim Fisher, Eric Emmanuel Schmitt, die Botschafter mehrerer Länder – und auch Joana Zimmer, die eigentlich gerade in New York und Los Angeles ein neues Album aufnimmt.

Sie wird Schulkindern im Dunklen vorlesen aus einem Buch in Blindenschrift. „Ich habe aber mit Absicht nichts Unheimliches ausgesucht“, sagt sie lachend. „Sondern eine Geschichte über die Sonne, den Mond und die Freundschaft.“ Inzwischen sitzt sie in einem warmen Café, trinkt eine große Tasse Kakao und redet über Trolle, Riesen, 1001 Nacht. Wenn es um Märchen geht, gerät sie leicht in Begeisterung. „An meine Lieblingsfiguren, die Elfen, habe ich als Kind lange geglaubt.“ Sie dachte sich Elfengeschichten aus und schrieb sie auf. Suchte nach Blüten, deren Nektar die zarten Wesen trinken könnten. Und ein Stück Baumrinde wurde zum möglichen Elfenunterschlupf. Sie hatte sogar eine Brieffreundschaft mit der Zahnfee. Später fand sie heraus, dass ihre Großmutter die Antworten geschrieben hatte. Die Oma las auch oft Märchen vor. Am liebsten wollte die kleine Joana „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ hören. Joana Zimmer, die selbst fast so zierlich und blass wie eine Elfe wirkt, lacht: „Ich rieche, rieche Menschenfleisch – das ist mega-spannend. Ich mag Märchen mit Action.“ Und sie mag es, dass im Märchen immer das Gute siegt.

So ähnlich ist das auch bei den Märchentagen – bei der Verleihung des Preises Goldene Erbse. Damit werden Menschen ausgezeichnet, „die sich wie die Märchenhelden für das Gute einsetzen“. In diesem Jahr bekommen Bergsteiger Reinhold Messner, Journalistin Sabine Christiansen und Unternehmer Dirk Roßmann den Preis – am heutigen Donnerstag im Goya in Schöneberg. Dazu ist eine „Märchenmodenschau“ zu sehen – die Modelabels Scherer Gonzalez, Antonia Goy und Hut up schicken ihre Elfen auf den Laufsteg. Daniela Martens

Das Programm im Netz unter:

www.berliner-märchentage.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false