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Botschafter: Russland und Amerika luden zum Jazz

Neue Töne: Der amerikanische und der russische Botschafter feiern gemeinsam ein Jazzfest. Es wird viel geküsst und gelacht.

Der deutsche Verteidigungsminister übergibt in der russischen Botschaft dem US-Botschafter mit knapper Verbeugung eine Depesche. „For Emma“, sagt Karl- Theodor zu Guttenberg. Philip Murphy nimmt den Brief für seine kleine Tochter mit strahlendem Lächeln entgegen. Gemeinsam mit Russlands Botschafter Wladimir Kotenew hat er zum Jazzkonzert geladen. Im Palais Unter den Linden nehmen sie gemeinsam das Defilee der Gäste ab. Es wird viel geküsst und umarmt und gelacht, die Atmosphäre ist von großer Herzlichkeit geprägt.

Natürlich geht es in den Ansprachen und sogar im Musikprogramm um das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 65 Jahren. Und auch der Kalte Krieg kommt zur Sprache, in dem sich russische und amerikanische Panzer in Berlin am Checkpoint Charlie gegenüberstanden. Dieser Abend enthält aber vor allem die Botschaft, dass man selbst in den finstersten Stunden die Hoffnung nicht verlieren darf. Für den 91-jährigen Filmproduzenten Artur Brauner, der beide Kriege miterlebt hat, ist dieses Jazzfest „ein Traum, eine Fantasie“. Beim anschließenden Empfang sagt er sichtlich ergriffen: „Es ist ein Abend des Friedens.“

Die Botschafter variieren dieses Thema, indem sie die guten Beziehungen zwischen den Ländern loben. Philip Murphy sagt, dass er besonders das Vertrauen und die Offenheit seines russischen Kollegen schätzt. Er sagt aber nicht „Kollege“, sondern spricht von „meinem Freund Wladimir“. Zu Maria Kotenew sagt er „Mascha“ und den Verteidigungsminister nennt er freundschaftlich „KT“.

Kotenew spricht von einer neuen Qualität des Dialoges mit den Amerikanern, von der Kooperation bei wichtigen Themen wie Terrorbekämpfung und Klimaschutz. Er erinnert an das Ende des Weltkrieges. „Damals waren wir auch zusammen.“ Ein denkwürdiger, viel gelobter Abend, den unter anderem Gesine Schwan und ihr Mann Peter Eigen miterleben, Lothar de Maizière,die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, Autor Peter Scholl-Latour, Anwalt Matthias Prinz und ARD-Journalist Ulrich Deppendorf.

Musikalische Bögen spannen Andrej Hermlin und sein Swing Dance Orchestra. Sie spielen nicht nur amerikanische, sondern auch russische Jazzstücke. Sie spielen „Wenn ich den Text nicht weiter kann“, ein Stück des 1944 in Auschwitz ermordeten Musikers Willy Rosen, sie spielen „When That Man is Dead and Gone“, das Irving Berlin 1942 über Adolf Hitler geschrieben hat, sie spielen „Speak Low“ von Kurt Weill und etliche melancholische russische Songs. Am Schluss singen sie abwechselnd auf Englisch und Russisch „On a Wing and a Prayer“, das Lied, das zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Waffenbrüderschaft von Russen und Amerikanern symbolisierte.

So überlegt das Programm zusammengestellt ist, so zufällig ist die Farbkombination auf einem beliebten Fotomotiv des Abends, das drei Frauen zeigt: Maria Kotenew tritt in einem eigens für dieses Konzert entworfenen Jazzkleid in Schwarz auf, Stephanie zu Guttenberg trägt ein leuchtend rotes Kleid und Tammy Murphy ein aufregend geschnittenes goldenes Cocktailkleid. Die Farben des mit alliierter Hilfe wiedervereinigten Landes, Schwarz-Rot-Gold? „Keine Absicht, wir haben uns nicht abgesprochen“, lachen die drei Frauen, bevor sie sich bei russischen Delikatessen und kalifornischen Weinen vom Blitzlichtgewitter erholen. Elisabeth Binder

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