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Bunter Vogel, grünes Plätzchen. Theodor di Ricco in seinem Nordneuköllner Hinterhofidyll. Wer seinen Garten liebt, kann nur ein guter Deutscher sein.

© Mike Wolff

Buch über Einbürgerungstest: Ein Amerikaner in Neukölln

Der Neuköllner Künstler Theodor di Ricco kommt eigentlich aus den USA. In Berlin wird er oft wird er als bunter Vogel identifiziert. Über sein Einbürgerungsverfahren hat er ein skurriles Buch geschrieben.

Da staunten sie beim Einbürgerungstest in Neukölln aber nicht schlecht. Ein Ami, der Deutscher werden will? Kommt so gut wie nie vor. „Mein Gott, warum wollen Sie denn hier leben?“, platzte es aus einem Sachbearbeiter heraus. Für die Frage ist Theodor di Ricco bestens präpariert. Er hat aus seinem vor zwei Jahren gefassten Entschluss, Deutscher werden zu wollen, nämlich gleich zwei Bücher gemacht. Wie das so ist bei Performancekünstlern.

Das eine Buch ist ein Roman mit dem Titel „Warum ich hier lebe“ und di Riccos literarische Abrechnung mit seiner Heimatstadt Sacramento in Kalifornien. Und das andere das lustige Bändchen „Warum Theodor die Ricco ein guter Deutscher sein wird“. 79 Künstlerkollegen, Freunde und Verwandte beantworten darin genau diese Frage. Mal mit Sympathiebekundungen. Mal mit Spaßantworten wie „weil er blond ist“, „weil auf seiner Grünfläche ein Gartenzwerg steht“ oder „weil er schwul ist und Gelb mag, aber nicht Guido Westerwelle“ darstellt. Mal mit Unverständnis wie „was heißt schon guter Deutscher?“, „er sollte kein deutscher Bürger sondern Weltbürger werden“. Die Einzeiler und Miniaufsätze fordern deutsche Leser nebenbei zur Selbstprüfung auf und auch ein paar bekannte Namen wie Marianne Enzensberger, die Gewerkschaft Verdi und der Lette-Verein sind dabei.

Das noch auf einen Verleger wartende Werk sei zugleich Kunst und Einbürgerungsreferenz, sagt Theodor di Ricco. Er sitzt im Garten seiner mit Kunst und Kram voll gestopften Hinterhofwohnung in Nordneukölln. Die Mitbewohner – Franzose, Schotte, Schauspieler, Tänzer – sind unterwegs. Nebenan nisten Mauersegler in der Brandwand, ein bescheidenes Idyll, wie aus dem Berlin-Bilderbuch. Gekleidet ist di Ricco komplett in Gelb, seit 1985 schon. Da zog er nach vier Jahren in Paris, wo er an der Sorbonne Kunst studierte, der Liebe wegen nach Schöneberg.

Und weil die Stadt so verdammt grau war, aber ein kalifornischer Junge so irre viel Sonne im Herzen hat, kam er auf die Idee, Gelb bei einer Performance in seiner Schöneberger Gallery Sotodo als „Farbe der Neunziger“ zu proklamieren. Ist sie nicht geworden und di Ricco nach ein paar Jahren in Prenzlauer Berg inzwischen in Neukölln angekommen, aber Gelb trägt er immer noch.

Deswegen und natürlich wegen des beigefügten Buchs habe die nette Frau vom Einbürgerungsamt in der Blaschkoallee ihn bei der Antragsabgabe im Februar gleich als bunten Vogel identifiziert, sagt di Ricco, der mit Aufenthaltserlaubnis Stufe 1 in der Stadt lebt. Ein vorbildlicher bunter Vogel allerdings. Alle 33 Einbürgerungstestfragen hat er bestanden, den Sprachtest sowieso. „War total leicht.“ Und trotz gelegentlich flauer Kassenlage finanziert sich der brave Steuerzahler grundsätzlich selbst – mit der Kunst und Nebenjobs. Wie er sich im Amt behandelt fühlt? „Okay: man ist bürokratisch willkommen.“

Dem Regierenden Bürgermeister hat er sein Buch auch geschickt. Der ließ einen Mitarbeiter verbindlich danken: „Über ihren Ideenreichtum hat sich Herr Wowereit sehr gefreut“. Und falls er di Riccos eigene Antwort auf seine Frage gelesen haben sollte, könnte er ergriffen gewesen sein.

Theodor di Ricco will nämlich Deutscher sein, „weil ich in einem zivilisierten Land leben möchte“. Ohne Todesstrafe, mit funktionierendem Gesundheitssystem und sozialer Marktwirtschaft. Das alles gebe es in den USA nicht, hier aber schon, dröselt er auf und attestiert sich „deutsche Tugenden“. Die wären? „Konsequenz, Umweltbewusstsein, Logik.“

Außerdem habe er nie irgendwo länger gelebt als hier, sagt Theodor di Ricco, der sich in erster Linie als Berliner und erst in zweiter als Deutscher sieht. „Ich bin hier verwurzelt.“ Seine Einbürgerungspapiere möchte er am liebsten von Bundespräsident Wulff im Schloss Bellevue überreicht bekommen. Wenn schon, denn schon! Na ja, Heinz Buschkowsky ginge auch, der sei ebenfalls ganz nett.

Bis zu seinem 50. Geburtstag im November wird die sechs Monate dauernde Einbürgerung abgeschlossen sein, glaubt Theodor di Ricco. Das Motto der Party ist klar, grinst er: endlich Deutscher.

Und wie wird dann das neue Leben mit anderer Staatsangehörigkeit? Er zuckt die Achseln. Bei Formalitäten sicher einfacher, aber sonst nicht groß anders. Aber wenn ihn mal jemand als blöden Ami beschimpfe, könne er sagen: „Fuck you, ich bin Deutscher!“

Theodor di Ricco macht beim Kulturfestival 48 Stunden Neukölln mit. In der Ausstellung „Surviving Art“, 17.–19. Juni, in der Kindl-Brauerei, Galeriehalle, Werbellinstraße 50. Am Freitag 21 Uhr sogar mit einer Performance zum Buch.

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