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© dpa

Bundespresseball: Das süße Ende eines bitteren Tages

2500 Gäste feierten im Hotel Interconti den Bundespresseball. Das Motto „Krisenfest“ hatte für viele eine ganz neue, aktuelle Bedeutung bekommen

So ist das mit dem Motto von Bällen: Manche Gäste können mehr damit anfangen, manche weniger. „Krisenfest“ lautet also das Motto des 58. Bundespresseballs im Hotel Interconti, und wie Innenminister Thomas de Maizière mit gefalteten Händen vor Reportermikrofonen von „einem ganz, ganz bitteren Tag“ spricht, da glaubt man ihm gern, dass er wirklich Anteil nimmt an dieser Krise. Ja, er werde ihn sehr vermissen, seinen politischen Freund, den gerade zurückgetretenen Franz Josef Jung. Der ist heute nicht gekommen, er stand auch gar nicht auf der Gästeliste. Und sein Nachfolger im Amt des Verteidigungsministers, Karl-Theodor zu Guttenberg, hat kurzfristig abgesagt. Vielleicht wollte er an diesem Abend einfach nicht sagen müssen, wie sehr er Jung vermissen wird. Auch Claudia Roth scheint sichtlich von der Krise bewegt: Die Grüne will gar nicht aufhören, die „Tragikomödie der Regierung“ und den entstandenen „großen Schaden“ anzuprangern. Kein anderer Spitzenpolitiker hält es so lange vor der Kamerameute am Eingang aus. Im Übrigen wisse sie ja, dass Franz Josef Jung eigentlich ein hervorragender Tänzer sei, schiebt sie ironisch hinterher. Nicht einmal von der achtköpfigen Blaskapelle lässt sie sich verscheuchen.

Um zwanzig vor neun wird angetanzt, Horst Köhler führt traditionsgemäß Ursula Gößling übers Parkett, die Frau des Vorsitzenden der Bundespressekonferenz. Andrej Hermlins Swing Dance Orchestra spielt dazu „Cruising down the river“, einen Walzer aus den 1930ern. An Köhlers Tisch wartet bereits Schauspielerin Veronica Ferres, ihr Lebensgefährte vertritt einen der Hauptsponsoren des Balls. Falls es sich ergibt, will sie den Bundespräsidenten fragen, wie er die Stimmung im Land einschätzt, sagt sie. Ob es mit der Wirtschaft wirklich schon wieder aufwärts geht oder ob die Optimisten sich zu früh freuen. Wenigstens eine, die nicht vergessen hat, welche Krise eigentlich zu der Wahl des heutigen Ballmottos geführt hat. Weil man in wirtschaftlich schweren Zeiten etwas weniger prassen solle, wird im Festsaal Toast Hawaii serviert. Klingt schlimmer, als es ist: Der Koch hat das Gericht mit Hummer und Schinkenvinaigrette zubereitet.

Angela Merkel ist nicht gekommen, auch das hat Tradition beim Bundespresseball. Guido Westerwelle lächelt zwar alle Fragen zu Jungs Rücktritt weg, kann sich aber glücklich schätzen, dass die meisten Journalisten sowieso vielmehr interessiert, ob er denn heute auch tanzen werde – und wenn ja, mit wem. Dabei ist Westerwelle Nichttänzer, das wolle er auch bleiben, sagt er. Später am Abend wird die Band BAP spielen, die Westerwelles Parteifreund Philipp Rösler sehr gern mag. Weil er Gesundheitsminister und ziemlich locker drauf ist, gibt er am Roten Teppich launige Schweinegrippen-Tipps („Öfters die Hände waschen, auch bitte zwischen den Fingern. Und Taschentücher nur einmal verwenden, das wissen ja leider noch nicht alle.“) Eine Reporterin bittet ihn, einen Satz zu vollenden: „Ich denke an Krise, wenn ich…“ Rösler muss nicht überlegen, es platzt aus ihm heraus: „...wenn ich eine Frage wie diese gestellt bekomme.“ 

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