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Rea

© ddp

Chris Rea: Wie im Spionagefilm

Sänger Chris Rea kennt das geteilte wie das vereinigte Berlin. Mit seinem neuen Album kehrt er wieder zurück.

Die vergangene Nacht war nicht gut: Mehrere Stunden hat Chris Rea starke Bauchschmerzen gehabt. Nachdem der britische Musiker die Suite des Hotel Adlon am Pariser Platz betreten hat, bestellt er sich erst einmal einen Frühstückstee. „Besonders mild, bitte und ohne Milch!“ Seine Stimme ist leise und verhalten, aber seine braunen Augen blicken warm und aufmerksam.

Als bei Rea, der vor allem durch Achtziger-Jahre-Hits wie „Josephine“ und „On the beach” bekannt wurde, vor knapp neun Jahren Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde und ihm bei einer schweren Operation in Deutschland große Teile seines Magens entfernt werden mussten, war das ein gewaltiger Einschnitt in seinem Leben. „Ich habe so große gesundheitliche Probleme, als hätte ich das Leben eines Rockstars gelebt. Dabei habe ich nie etwas falsch gemacht – das ist nicht fair“, sagt er mit einem ironischen Lächeln. Trotz seiner Krankheit hat er sich nach Jahren des Rückzugs ins Privatleben – seit jeher gilt der Sänger irisch-italienischer Herkunft als Familienmensch – nun entschlossen, wieder auf Tournee durch Europa zu gehen, am 31. Januar tritt er im Tempodrom auf.

Der Titel der Tour und des gestern erschienenen Albums mit 32 alten, digital bearbeiteten und zwei neuen Songs ist vielsagend: „Still so far to go“ – „Noch weit zu gehen“. Seine Fans dürfen sich auf viele der älteren Songs freuen, denn auch dem Sänger gefällt es, musikalisch zurückzublicken und für die Bühne alte Stücke wiederzuentdecken. Reas 26 und 19 Jahre alte Töchter werden ihn zu mehreren Konzerten begleiten. „Sie finden scheinbar, dass ich besonders in Städten wie Paris, Mailand oder St. Petersburg ihre Unterstützung brauche – an weniger attraktiven Orten lassen sie mich dann wieder allein“, erzählt er, wieder mit diesem heiter-ironischen Ausdruck in den Augen. Für Berlin hat er an diesem Freitag kaum Zeit – der Zeitplan ist zu eng. „Dabei mag ich Berlin sehr“, sagt er. „Auch wenn mich die geteilte Stadt, so glücklich ich natürlich über den Mauerfall bin, auch fasziniert hat.“ Damals habe ihm die einzigartige Atmosphäre sehr gefallen: „Als befände man sich direkt in einer Art Spionagefilm“, erinnert er sich schmunzelnd. Auf seiner „Road to hell“-Tour besuchte Rea Berlin Anfang 1990 wieder und wurde von Freunden eingeladen, sich die Veränderungen im Ostteil der Stadt anzusehen. „Dass wir als Erstes jenseits der ehemaligen Mauergrenze ausgerechnet einen neu eröffneten Porno- Shop sahen, war recht bizarr“, sagt der Sänger.

Überhaupt mag er nicht unbedingt alles, was neu ist – um die digitale Neufassung seiner Songs hat er sich selbst nicht sehr gekümmert, das sei Sache der Plattenfirma gewesen. „Ich mag es tatsächlich sehr, wenn man auch Fehler hört“, sagt Rea, der sich seit sieben Jahren mit seinem eigenen Label „Jazzee Blue“ vor allem dem Blues zugewandt hat. Wie die Malerei hat ihm diese Musik geholfen, mit seiner Krankheit zu leben. Auch seine ältere Tochter Josephine malt, Rea hat Fotos einiger ihrer romantisch-modernen Gemälde mitgebracht. Als Rea die Porträts und Akte mit einer bescheidenen Geste zeigt, merkt man ihm das Glück des stolzen Vaters an – und auch die Angst, für unbescheiden gehalten zu werden. Aber sie ist unbegründet, ist es doch beinah so, als habe man mit Chris Rea nicht einen berühmten Sänger, sondern einen guten Freund zum Tee getroffen.

31. Januar 20 Uhr, Tempodrom. Eintrittskarten ab 45 Euro

 Eva Kalwa

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