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Hinter der Kamera. Angelika Brötzmann aus Mitte dreht die Szenen.

© David von Becker

Das eigene Leben als Film: Heute ein Star

Die Berliner Firma ad.eo Filmbiografien verfilmt das Leben normaler Menschen. Preiswert ist das allerdings nicht.

Der Pausenhof muss riesig gewesen sein für die kleine Christiane Zimmerling. Und ein Ort der Angst. Denn Christiane, die sich heute Clara Welten nennt, war in der Schule eine Außenseiterin. Ihre Eltern engagierten sich zu DDR-Zeiten in der Kirche – und schickten ihre Kinder in keine der staatlichen Jugendorganisationen, weder zu den Pionieren noch in die FDJ. Christiane wurde deshalb von den Klassenkameraden ausgeschlossen, gemobbt und verprügelt.

In dem halbstündigen Dokumentarfilm, den die Berliner Firma ad.eo Filmbiografien über ihr Leben gedreht hat, steht Clara Welten wieder auf diesem Schulhof in Zeitz in Sachsen-Anhalt. Und erzählt, während die Kamera um sie herumkreist, von der Angst, die sie begleitet hat. Ihre Eltern machten bei der Erziehung keine Kompromisse mit dem politischen System. Deshalb heißt der Film über ihr Leben auch „Erzogen zum Widerstand“. Clara Welten, die heute mit ihrer Familie in Schöneberg lebt, gehört zu den gut 200 Teilnehmern, die sich am Biografie-Wettbewerb „Was für ein Leben“ beteiligt haben. Und zu den drei Gewinnern.

Im Herbst wurde „ihr“ Film im Deutschen Historischen Museum gezeigt, das zu den Unterstützern des Wettbewerbs gehört. Ins Leben gerufen haben ihn die Firma ad.eo, die von den Journalistinnen und Filmemacherinnen Angelika Brötzmann und Evelyn Filipp betrieben wird. In ihrem Büro am Festungsgraben in Mitte bieten sie eine ungewöhnliche Dienstleistung an: Sie verwandeln Lebensläufe in Filme. „Jedes Leben ist interessant, unabhängig davon, ob die Protagonisten prominent sind“, sagt Brötzmann.

Die Firma bietet verschiedene Varianten einer Verfilmung an. In der einfachsten Form schildert die Hauptperson ihr Leben in einem langen biografischen Interview, das mit Fotos zu einem Film verarbeitet wird. In der teureren Variante werden die Protagonisten in typischen Situationen oder an Orten gezeigt, die für ihr Leben wichtig waren. Außerdem können auch Weggefährten befragt werden. Weltens Film hat einen Gegenwert von 15 000 Euro, in der günstigsten Variante kosten 15 Filmminuten etwa 3000 Euro.

Clara Welten, die heute als Schriftstellerin und Philosophin arbeitet, freut sich schon auf die Zeit, in der sie den Film ihrer kleinen Tochter zeigen kann. Sie setzt sich darin kritisch mit dem Erziehungskonzept ihrer Eltern auseinander: „Meine Erziehung hat mir die Kraft gegeben, die zu werden, die ich heute bin.“ Trotzdem frage sie sich, ob es moralisch sei, Kinder so zu erziehen, dass sie im System lebensunfähig werden – und darin weder berufliche noch private Chancen haben.

Vor der Kamera. Das Leben von Clara Welten wurde verfilmt.
Vor der Kamera. Das Leben von Clara Welten wurde verfilmt.

© Doris Spiekermann-Klaas

1983 wurden sie und ihre Familie vom Westen freigekauft. Als Jugendliche hatte sich Clara Welten häufig selbst Schmerzen zugefügt und immer stärker gegen die DDR rebelliert. „Ich war mit 15 so ein Neinsager, dass ich zu gar nichts mehr ja sagen konnte.“ Schließlich drohte der Rat des Kreises, den Eltern das Sorgerecht für ihre Tochter zu entziehen.

Probleme hatte sie jedoch auch im Westen. „Ich kam mir dort vor wie von einem anderen Stern“, erinnert sich Clara Welten auf dem Sofa ihrer Schöneberger Wohnung. Schließlich ließ sie sich sogar in die Psychiatrie einweisen. So richtig frei gefühlt hat sie sich eigentlich erst in Paris: Dort lebte sie nach ihrem Magisterabschluss von 1996 bis 2004, hörte Vorlesungen bei dem französischen Philosophen Jacques Derrida, hielt Vorträge und veröffentlichte ein Buch.

Der Biografie-Wettbewerb geht in die nächste Runde: Bewerben kann man sich bis zum 28. Februar unter der Internetadresse www.was-fuer-ein-leben.de oder telefonisch unter der Nummer 75541941.

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