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Deutsches Symphonie-Orchester: Auf Schönbergs Spuren

Das DSO blickt diese Saison in das Jahr 1909 zurück. Musikgeschichtlich sehr bedeutend: Arnold Schönberg überschritt damals die Grenzen der Tonalität.

In den U-Bahnhöfen mangelt es wahrlich nicht an Werbung. Trotzdem stechen dieser Tage die Plakate des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO) ins Auge. Eine Fagottistin spielt da in einem Industriehof vor einer alten Backsteinwand, ein Geiger musiziert vor den riesigen Fenstern einer Maschinenhalle, Chefdirigent Ingo Metzmacher wirft in der Passage an der Neuköllner Karl-Marx-Straße in einer lässigen Geste den Arm nach oben. Wer noch genauer hinguckt, der merkt, dass keiner der Musiker tatsächlich vor den fotografierten Gebäuden steht, sondern dass jeweils nur ein Dia auf die Wand geworfen und dann abfotografiert wurde. So sieht die Bildersprache des Orchesters in der jetzt beginnenden Saison auf Programmheften, der eigenen Website und eben den Plakaten aus. Das alles folgt einem Plan: Sämtliche der abgebildeten Gebäude wurden im oder um das Jahr 1909 errichtet, und dieses Jahr ist auch Saisonthema beim DSO.

„Wir definieren uns wahrscheinlich von allen Berliner Orchestern am meisten über eine Programmatik“, sagt Orchesterdirektor Alexander Steinbeis, während er hinüberblickt auf das Tacheles in der Oranienburger Straße. Auch dieses Haus wurde 1909, damals als Friedrichstraßenpassage, eröffnet. Musikgeschichtlich war es ein bedeutendes Jahr, denn Arnold Schönberg überschritt mit seinem Monodram „Erwartung“ endgültig die Grenzen der Tonalität, gab die Bindung an einen Grundton auf und beendete damit die Herrschaft der Tonarten, die jahrhundertelang vollkommen unwidersprochen und selbstverständlich gewesen war. Von nun an waren die Töne dem freien Spiel, dem Triebleben überlassen. „Wir haben uns angeschaut, was vor hundert Jahren noch alles passierte, und fanden heraus, dass 1909 ein sehr interessantes Jahr gewesen war“, so Steinbeis. Die Neue Künstlervereinigung München, aus der der Blaue Reiter hervorgeht, stellte erstmals ihre Arbeiten aus. Marinetti veröffentlichte im Figaro das Futuristische Manifest. Auf den Dünen eines Mittelmeerstrandes wurde die Stadt Tel Aviv gegründet. Und in Berlin hinterließ das Jahr 1909 auch bauliche Spuren, nach denen DSO-Direktor Alexander Steinbeis jetzt gezielt suchte. Er fand die Archenhold-Sternwarte im Treptower Park, das Hebbel-Theater, das Alte Stadthaus am Molkenmarkt, die Osramhöfe in Wedding oder Peter Behrens Turbinenhalle in Moabit, eines der wenigen Berliner Industriegebäude, das immer noch seinem ursprünglichen Zweck dient. Sie alle wurden 1909 eröffnet.

Eine besondere Rolle spielt das Tacheles. Nicht nur passt sein Name, der ja „Klartext“ bedeutet, sehr gut zu Schönberg. Hier wird das DSO auch tatsächlich auftreten. Musiker des Orchesters geben im Laufe der Saison drei Kammerkonzerte, und vom 22. bis 24. Mai findet ein Minifestival mit drei Konzerten unter dem Titel „Schönberg Underground“ statt. Aber zunächst wird das Saisonthema am Montag in der Philharmonie eröffnet, mit Brahms’ Violinkonzert, einem absoluten Reißer des romantischen Repertoires, und Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“. Das entstand natürlich 1909. Udo Badelt

Das ganze Programm im Internet:

www.dso-berlin.de

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