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Einsatz der "Alexianer"

© ddp

Die "Alexianer": Putzen als Sozialprojekt

Wie eine Gruppe Jugendlicher mithilft, den Alexanderplatz sauber zu halten, dabei einen Film dreht und viel dazu beiträgt, dass sich das Verhältnis zwischen Anwohnern und Jugendlichen entspannt.

"Der Alex ist mein zweites Wohnzimmer", sagt der 19-jährige Andreas. Er gehört zu den Jugendlichen, die einen Teil ihrer Freizeit auf dem Alexanderplatz verbringen und in letzter Zeit von Anwohnern und Touristen wegen ihrer lautstarken Zusammenkünfte vor allem als Problem wahrgenommen wurden. Damit dieses "Wohnzimmer" auch sauber bleibt, ist er mit einer Gruppe junger Männer immer samstags und sonntags unterwegs, zum Putzeinsatz am Alex. Zwei mal am Tag wird eingesammelt, was andere so liegen lassen.

Sie nennen sich "Alexianer", man erkennt sie an ihren schwarzen Jacken mit der grünen Zahl 101. Die 101 steht für die ersten drei Ziffern der Postleitzahl für den Bezirk Mitte. Die "Alexianer" sind ein Projekt des Vereins "Gangway", der sich in Berlin in der Jugendsozialarbeit engagiert. Seit Oktober gibt es die ungewöhnlichen Helfer am Alexanderplatz.

"Wir sind nicht so, wie wir dargestellt werden!"

Angestoßen wurde das Projekt nicht zuletzt durch die vielen Negativschlagzeilen und das angespannte Verhältnis zu den Anwohnern, die sich über Schmutz, Lärm und den Alkoholkonsum der Jugendlichen beschwert haben. Das wollten die Jugendlichen so nicht auf sich sitzen lassen. "Wir wollten diesem Bild etwas entgegensetzen und zeigen, dass wir nicht so sind, wie wir dargestellt werden", erklärt Mic, der auch bei der Putztruppe mitmacht.

Unterstützung erfährt die Initiative durch das Platzmanagement Alexanderplatz, ein Projekt des Sozialpädagogischen Instituts, das sich als Schnittstelle zwischen den Jugendlichen und den Anliegern versteht. Die Reaktionen sind durchweg positiv. Anwohner, mit denen die jungen Leute zuvor Schwierigkeiten hatten, loben nun deren Engagement, Geschäftsleute unterstützen das Projekt. Auch das Bezirksamt Mitte hat den positiven Effekt erkannt und übernimmt die Hälfte der Kosten.

Die Verdienstmöglichkeit hilft aus der Klemme

Die Jugendlichen arbeiten derweil nicht nur für ihren guten Ruf, sie erhalten für ihren Einsatz einen kleinen Obolus. Schließlich sollen auch die jungen Männer etwas von ihrem Engagement haben. "Viele Jugendliche geraten schnell in eine Schuldenfalle, beispielsweise wenn sie beim Schwarzfahren erwischt werden und das Bußgeld nicht bezahlen können", erläutert Ulf Siegel, Streetworker bei "Gangway". "Bei uns bekommen sie die Gelegenheit, sich das Geld zu verdienen." Ein Teil des Geldes kommt in die gemeinsame Kasse, aus der Freizeitaktivitäten finanziert werden. "Das fördert den Zusammenhalt und steigert die Motivation", sagt Siegel. Dieses Konzept von "Gangway" geht offensichtlich auf, zumal Motivation auch zwingend notwendig ist, um bei jedem Wetter morgens anzutreten.

Etwa zwei Stunden dauert eine Reinigungstour über den Alex, und nicht immer sind nur leere Flaschen und der übliche Großstadtmüll zu beseitigen. "Mitunter findet man auch versiffte Kleidung, wie etwa vollurinierte Unterwäsche. Das ist dann wirklich eklig", beschreibt Mic mit gerümpfter Nase seine Erlebnisse. Die Reaktionen der anderen Jugendlichen, die am Alexanderplatz unterwegs sind, sind gemischt. Einige wundern sich und glauben, ihre Altersgenossen müssten Strafarbeit leisten. Andere wiederum finden das Engagement gut. "Manche schnappen sich dann sogar auch mal den Besen. Allerdings erlahmt der Arbeitseifer nach fünf Minuten meist wieder", erzählt Mic.

Verbote eignen sich nicht als Problemlösung

Zu den Bemühungen, zwischen Anwohnern und Alexbesuchern zu vermitteln, gehört auch ein Alkoholverbot, das seit Januar für einige Bereiche des Alexanderplatzes gilt. Die "Alexianer" allerdings halten von dieser Maßnahme gar nichts. Der einzige spürbare Effekt sei, dass die Jugendlichen von einer Ecke des Platzes in die andere geschickt werden - wohl kaum die Absicht des Verbots. Auch Streetworker Siegel sieht das kritisch. Man müsse Wege finden, mit dem Problem umzugehen, statt nur Restriktionen zu schaffen, sagt er.

Doch die "Alexianer" sind nicht nur eine jugendliche Putztruppe, sie haben auch andere Ideen. So drehten sie den Film "Free Alex" über die Jugendlichen vom Alexanderplatz, also sich selbst und ihren Alltag. Eingesetzt hat sich dafür vor allem der 22-jährige Max, der sich in seiner Freizeit zwar eher selten am Alex aufhält, sich aber bei "Gangway" engagiert und auch das "Alexianer"-Projekt maßgeblich mitorganisiert hat. Er möchte später mal im Bereich Filmtechnik arbeiten und hat bei dem durch die Familienstiftung geförderten Film die Kamera geführt. Gezeigt wurde der Film bereits bei einer Vorführung in der Marienkirche und im Offenen Kanal. "Wir würden uns aber freuen, wenn auch noch andere Interesse an dem Film hätten", erklärt Ulf Siegel lächelnd und wirft einen kaputten Regenschirm in seine Mülltüte.

Tatjana Schäfer[ddp]

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