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Dutschke

© dpa

Dutschke-Film: Viel Rauch um Rudi

Zurück in die Sechziger: Für einen ZDF-Film über Dutschke werden in Zehlendorf Szenen aus dem Leben des Studentenführers gedreht.

„Nebel! Mehr Nebel!“ Und wieder eilt ein Helfer herbei, füllt den Raum mit fiktivem Zigarettenqualm. Eine Sitzung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) Anfang 1965 in einem nikotinfreien Raum? Undenkbar, und so wird der Mann mit dem Nebelwerfer an diesem Drehtag im Oskar-Helene-Heim fast zur wichtigsten Randfigur.

Solch eine SDS-Sitzung war eben immer auch eine physische Herausforderung. Eine intellektuelle sowieso, wenngleich die Sprüche an der Wand des Raumes, in dem an diesem Montagnachmittag eine Szene der ZDF-Dokufiction „Dutschke“ gedreht wird, eher grob gestrickt sind. „Brecht dem Staat die Gräten, alle Macht den Räten“ etwa, „Mio Mao Mao“. Zwei rote Fahnen ergänzen die Szenerie, das Mobiliar ist spartanisch, Stühle, zwei Schreibtische, darauf Flugblätter, historische Tabakpäckchen, Zündhölzer, Erich Frieds „Die bunten Getüme“. Auch die drei, vier Dutzend SDSler, die das Zimmer bevölkern, sind von Kopf bis Sohle auf frühe Sechziger eingestellt: die Kommilitoninnen eine schweigende, adrett frisierte Minderheit, die Herren meist streng gescheitelt, manche mit Krawatte, und besonders beliebt war der Pullunder.

„Das war zu locker. Mit der Szene gehen wir doch in eine hitzige Debatte rein.“ Der Zigarettenqualm war in Ordnung, mit dem Schauspielerischen ist Regisseur Stefan Krohmer noch nicht zufrieden. Eine Urszene, der Moment in Dutschkes Biografie, als er in den SDS drängte, den er bald schon prägen sollte. Mit Bernd Rabehl hatte Dutschke den Berliner Zweig der „Subversiven Aktion“ gegründet und hatte auf der gegen Kongos Diktator Tschombé gerichteten Demonstration im Dezember 1964 erstmals die Initiative ergriffen, Absprachen nicht eingehalten, die Route geändert – damals ein Akt der „Subversion“, die auch unter den Studenten Debatten auslöste.

Christoph Bach, in den Spielszenen der von Nico Hoffmanns Firma teamWorx produzierten Dokufiction Darsteller Dutschkes, verfolgt sie am Rande, macht sich Notizen, spricht mit einem Nachbarn, noch nicht der große Akteur, doch deutlich unter Spannung, in den Startlöchern, jeden Moment kann es losgehen. Dabei zielt die Kamera gar nicht auf ihn, für die Zuschauer ist er in den Durchläufen der Einstellung nicht zu sehen.

„Das Mitspielen ist für mich sehr gut als Probe. Nachher beim Gegenschnitt bin ich zu sehen“, erklärt Bach später bei einer Drehpause im Hörsaal des stillgelegten Krankenhauses an der Zehlendorfer Clayallee. Auch hier wurde gedreht, ein 67er Auftritt Dutschkes an der Heidelberger Uni, und die Krankenhausszenen nach dem Attentat vom 11. April 1968 werden ebenfalls hier entstehen. Dutschkes Tagebücher hatte der 1975 geborene Bach schon früher gelesen. Mit der Übernahme der Rolle ging es für ihn zunächst darum, sich dessen Körperlichkeit anzueignen, die Art zu sprechen, sich zu bewegen – „klassische Schauspielerarbeit“.

Die Herausforderdung war danach, sich mit der Persönlichkeit auseinanderzusetzen, Quellen zu studieren, Zeitzeugen zu sprechen – und zu erkennen, wie politisch das Private bei Dutschke immer war und wie widersprüchlich die Äußerungen über ihn. Zumal er für die privaten Szenen anders als für Dutschkes politische Auftritte keine Filmdokumente zur Verfügung hatte. Klar, dass da seine Darstellung Dutschkes immer auch eine Interpretation sein muss.

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