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Espiners Berlin: Die importierte Terrorpanik

Terrordrohungen sind ein globales Problem. Der britische Wahlberliner Mark Espiner fühlt sich nach seiner eigenen leicht panischen Reaktion auf den neuen Berliner Terroralarm nach London zurückversetzt - zumindest kurzzeitig.

Getragen von Ihren Antworten auf meine letzten Kolumne, bin ich seitdem beim Ausprobieren meines gesprochenen Deutsch viel zuversichtlicher. Während eines entspannten gesellschaftlichen Beisammenseins letzte Woche, wagte ich mich an eine Handvoll neuer Wörter inklusive "Lagerfeuer". Ich versuchte, dieses Wort auf intelligente Weise in meine Konversation einzubauen und wartete darauf, dass jemand das Feuer anzündete, damit ich dann sagen konnte, wie wunderbar Lagerfeuer sind, als ich von jemandem in einem Deutsch angesprochen wurde, das so gut war wie meines. Diesmal war ich an der Reihe, auf die mutigen sprachlichen Bemühungen zu antworten, indem ich ihn fragte, ob er Engländer wäre. Er war Waliser. Das geschah mir recht. Aber, sagte er, bevor er nach Berlin zog, hatte er viele Jahre in London gelebt.

Glücklich darüber, einen gleichgesinnten Londoner gefunden zu haben, suchte ich nach Gemeinsamkeiten. Warum zog er weg? War es so wie bei mir, wegen der großen Vielfalt und Qualität der Wurstsorten und dem Fehlen von Überwachungskameras? Nein, sagte er. Es war, weil sich seine Frau zu sehr über Terrorismus sorgte, nach den Bombenanschlägen auf die U-Bahn am 7. Juli 2005. Sie lebten in Kings Cross, was einer der Anschlagsorte war. Seine Frau wollte in einer sichereren Stadt leben. Berlin.

Nur ein paar Tage später - und nun verbreiteten auch hier die Zeitungsschlagzeilen lautstarke Terrorwarnungen. Zuerst überlegte ich, ob unsere Unterhaltung irgendwie dafür verantwortlich war. Dann dachte ich darüber nach, wie seine Frau darauf reagieren würde. Würden sie nun wieder in eine andere Stadt ziehen?

Der plötzliche Schock dieser Nachrichten machte mir bewusst, wie entspannt ich geworden bin seit meinem Umzug nach Berlin, ohne die ganzen offensichtlichen Terrordrohungen, die in London weiterhin bestehen. Ich erinnerte mich an den Tag im Juli. Ich versuchte, Gott sei Dank eine Stunde später, in die U-Bahn zu gelangen, als ich von einer Betriebsstörung in der Stromversorgung hörte und London Transport verfluchte. Und dann wurde mir nach und nach der ganze Horror bewusst. Ich erinnerte mich weiter, dass ich meine erste U-Bahn-Fahrt danach eine Woche später machte und feststellte, wie leer diese war. Ich dachte, ich hätte dies alles zurückgelassen. Aber da ist es nun wieder und gesellt sich zu uns in Berlin. Wie wir jetzt alle wissen sollten, ist dies ein globales Problem. Es gibt nicht wirklich einen Rückzugsort, da alle Transportsysteme Ziele sind.

Als ich aufwuchs, lebten wir unter den permanenten Drohungen des Terrorismus. Die IRA verübte ständig Bombenanschläge oder drohte damit. Ich weiß nicht wie oder warum, aber jeder machte einfach weiter wie bisher. Es gab nicht annähernd so viel Hysterie und Paranoia wie jetzt über diese Gruppe. War es das Gleiche für Sie, als die RAF-Baader-Meinhof-Brigade aktiv war?

Vor ein paar Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem sehr hochrangigen Beamten des MI6, England's Geheimdienst. Ich fragte ihn, ob wir nicht alle überreagierten, angesichts der islamistischen Bedrohung. Dass all die Überwachung und furchteinflößenden Anweisungen disproportional wären. War es nicht viel, viel schlimmer, als die IRA ihre Bombenkampagnen durchführten - bei denen regelmäßige Anschläge wahllos und real waren? Er drückte eine gewisse Sympathie für meine Ansichten aus.

Ich war also überrascht von meiner leicht panischen Reaktion auf diesen neuen Berliner Terroralarm. Plötzlich fühlte ich mich nach London zurückversetzt. Wie ich über meine Schulter schaue in der U-Bahn. Auf der Hut vor schwarzen Rucksäcken. Und wie ich die Leute, die diese tragen, auf Anzeichen von Nervosität überprüfe.

Ich begann zu denken: soll ich nun Weihnachtsmärkte meiden, die U-Bahn, die S-Bahn, den Hauptbahnhof und eigentlich alles, was das Wort "Bahn" enthielt? Sollte ich mich vom Fernsehturm fernhalten, an dem ich jeden Tag vorbeilaufe, und auch von den anderen Touristenattraktionen? Wo ist der sicherste Kiez? Sollte ich mich nun doch nach alledem für Überwachungskameras begeistern?

Gott sei Dank verschwanden diese Gefühle wieder ziemlich schnell - ungefähr zur selben Zeit, als man gerade Schutzbarrieren um dem Reichstag aufbaute.

Wenn Berlin nun etwas Terrorpanik importiert, vielleicht sollten wir dann auch etwas von der Blitz-inspirierten Antwort mancher Briten einführen, um gegen die Bedrohung anzukämpfen. Nach den 7/7-Anschlägen tauchten überall die Worte eines moralstärkenden Posters von 1939 auf: "Keep Calm and Carry On". Auf T-Shirts, Tassen, Postern. Jetzt ist die Chance, ein Berliner Äquivalent zu finden. Haben Sie Vorschläge?

Sie können Mark Espiner emailen unter mark@espiner.com oder ihm auf Twitter folgen @deutschmarkUK.

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