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Blick in die neue Heimat. Der Brite Mark Espiner erkundet Berlin.

© Thilo Rückeis

Espiners Berlin: Suche: Tischtennispartner

Die Sommerfreude der Londoner ist es, in der Sonne im Park Marihuana zu rauchen. In der deutschen Hauptstadt, das hat der britische Wahlberliner Mark Espiner festgestellt, spielt man lieber Tischtennis.

Einer meiner Freunde aus London sagt, dass man den Sommer daran erkennt, wenn der süße Geruch von Marihuana in der Luft schwebt. Die Sonne in London scheint eine gewisse Furchtlosigkeit hervorzubringen, was den Konsum von weichen Drogen in Parks und sogar auf der Straße angeht – zumindest in den Gebieten, in denen ich gewohnt habe.

Es hat lange gedauert, bis etwas wärmende Sonne nach Berlin gekommen ist, aber diese Woche hat es sich wirklich wie Sommer angefühlt. Und das kam keinen Moment zu früh. Immerhin ist es jetzt schon Juni.

Ich bin also über Berlins Plätze und durch die Parks geradelt, im Sonnenschein, aber ich habe bis jetzt noch nicht den süßlichen, fast ekligen Duft riechen können. Bis jetzt entdeckte ich ziemlich viel öffentliches Saufen, speziell am Alexanderplatz, aber kein Spliff. Ich denke, das ist nur eine Frage der Zeit. In der Tat habe ich erst kürzlich über Berlins Pläne gelesen, eine noch freizügigere Einstellung zu Drogen anzunehmen als bisher. Katrin Lompscher, unter anderem Senatorin für Gesundheit der Stadt Berlin, überlegt gerade, die Menge an Marihuana zu erhöhen, die man legal für den Eigenbedarf besitzen darf. Wenn dies geschehen sollte, dann wäre Berlin die Cannabis-freundlichste Stadt in Europa. Aus dem Weg Amsterdam; jetzt wird in Berlin gedreht.

Nun, ich hatte immer die Einstellung, dass die Legalisierung von Drogen der beste Weg sei. Aller Drogen. Es stoppt die Kriminalität, die mit dem Handel verbunden ist, erlaubt Hilfe suchenden Leuten, diese zu bekommen, und das Drogengeschäft könnte sogar Einnahmen für staatliche Rehabilitationsmaßnahmen einbringen, anstatt die Drogenbosse zu bereichern – wenn das Zeug mit entsprechender Steuer verkauft wird, natürlich.

Doch beachten Sie dies. Vor ein paar Jahren hat die Londoner Polizei beschlossen, niemanden strafrechtlich zu verfolgen, der sein Dope in Brixton raucht. Innerhalb von wenigen Stunden, so schien es, schnappte der Stadtteil über. Plötzlich rasten alle nach Süd-London, um dort ihren Joint zu rauchen, obwohl sie zuvor absolut zufrieden damit waren, dies anderswo in Diskretion zu tun. Das könnte auch in Berlin passieren, allerdings in europäischem Ausmaß, mit Touristen, die schon in einer Hanfwolke ankommen, unkontrollierbar kichern und danach nie dagewesene Mengen an Currywurst verdrücken.

Aber ich schweife ab. Das Zeichen des Sommers für mich, in Berlin, ist nicht der Rauch. Es ist das beruhigende, fast hypnotische Klick-Klick Klick-Klick Klick-Klick eines Tischtennisballs, der auf einer der unendlich vielen Tischtennisplatten, die diese Stadt überziehen, hin- und hergeschlagen wird. Was für eine großartige Sache.

Bevor ich London letztes Jahr verlassen habe, sah ich einen ziemlich ungewöhnlichen Anblick: eine öffentliche Tischtennisplatte im London Fields Park. Hier ist ein Photo davon http://www.flickr.com/photos/dunkr/2276018906/. Ich glaubte, das sei die Einzige. “Die gibt es überall in Deutschland”, meinte Claudia damals dazu, als ob mich das davon überzeugen könnte, von London wegzuziehen. Und tatsächlich sind sie nun wirklich da. Und in echt Berliner Art sind sie auch alle mit Graffiti überzogen. Seltsamerweise respektierten die Straßenkünstler Londons die Platte und sie ist nach wie vor nicht getaggt oder besprüht. Entweder es war Respekt, oder die Platte steht unter einer CCTV Kamera.

Ich habe nun auch selbst damit begonnen, das Spiel in den Parks und an anderen Ecken zu spielen. Tatsächlich habe ich sogar immer einen Schläger in meiner Tasche, falls mir nach einem Match zumute ist, während ich in der Gegend herumschwirre. Ich habe bisher noch nicht mit Unbekannten gespielt, aber ich kann mir vorstellen, dass so manche Freundschaft am Netz geschlossen wurde. Was für eine tolle Idee der Berliner Städteplaner, durch Tischtennis das soziale Miteinander zu erleichtern und Tischtennisplatten überall dort aufzustellen, wo es Platz dafür gibt.

Im Volkspark Friedrichshain jedoch zog ich mich etwas kleinlaut zurück und beobachtete die echten Tischtennis-Cracks. Ich hatte nicht den Nerv, um ein Match zu bitten. Sie sahen wirklich professionell und furchterregend aus – ich bin dann leise weggeschlichen. Statt dessen ging ich zum Monbijou Park und verprellte ich ein paar Zwölfjährige. Ich habe noch nicht Rundlauf gespielt, noch habe ich Dr. Pong www.drpong.net besucht, wo man, wie mir gesagt wurde, Rundlauf nach Sonnenuntergang spielen kann. Das hört sich nach Spaß an, obwohl es vielleicht eher einer Art des Speeddating ähnelt. Ich werde allerdings immer ehrgeiziger – falls Sie Lust auf ein Spiel haben, lassen Sie es mich wissen. Gibt es hier so etwas wie eine Tischtennis-Kiez-Liga?

Die ganze Diskussion über Tischtennis ist allerdings etwas verkehrt zu einer Zeit, in der sich die ganze Welt auf Fußball vorbereitet. Vergessen Sie Marihuana und Ping Pong, Open-Air-Fußball-Großleinwände sind das sicherste Zeichen dieses Sommers, oder? Die fantastischen Public-Viewing-Adressen des Tagesspiegels (http://bit.ly/ataMAP) haben mir ein paar Hinweise gegeben, wo ich hingehen sollte, um mir die Spiele anzusehen. Wenn Sie aber noch andere Vorschläge haben, können Sie mir gerne schreiben. Sagen Sie mir, wo ich hinkommen soll und ich werde für Deutschland jubeln – bis England sie raushaut, natürlich. Ich mache nur Spaß! Wirklich.

Sie können Mark emailen an mark@espiner.com oder ihm auf twitter @DeutschMarkUK folgen.

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