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© Mike Wolff

Fernsehen: Deutschlands ungekrönter "Talkshow-König"

Der Berliner Erich Huber hat ein Fernsehfaible: Rund 650 Mal besuchte er schon Illner & Co - als Zuschauer im Studio. Manchmal sagt er den "Fernsehleuten", wenn ihm etwas nicht passt. Doch die Lust an Talkshows hat er noch lange nicht verloren.

In seinem Fernsehsessel hat es sich Erich Huber an diesem Abend vor fünf Jahren bequem gemacht. Interessiert schaut sich der alte Herr die Polit-Talkshow „Sabine Christiansen“ an. Und als die Ticket-Hotline eingeblendet wird, da greift er kurzerhand zu Kuli und Notizblock, hängt sich ans Telefon und bestellt eine Eintrittskarte für die nächste Sendung.

Fünf Jahre liegt der Besuch bei Christiansen nun zurück, kurz zuvor war der frisch pensionierte Diakon und Krankenhaus-Seelsorger aus Erlangen nach Berlin gezogen. „Ich will halt noch was erleben, ins Theater und ins Musical gehen, Politik und Kultur hautnah spüren – und wo geht das besser als in Berlin“, sagt er. Der Besuch bei Christiansen war nur der Anfang. TV-Termine bestimmen längst den Kalender des heute 70-Jährigen. Erich Huber ist Deutschlands ungekrönter „Talkshow-König“. Auf rund 650 Sendungen kam er, als er jüngst in fränkischer Gemütsruhe überschlug, wie oft er auf den Tribünen von ARD, ZDF, rbb, Deutsche Welle, Phoenix oder n-tv Platz genommen hat.

Unbedingt habe er einmal die „knisternde Live-Atmosphäre in einem Fernsehstudio miterleben“ wollen, sagt er mit funkelnden Augen. „Und vielleicht auch die Gelegenheit nutzen, nach der Sendung mal mit einem prominenten Politiker oder einflussreichen Wirtschaftsboss zu diskutieren.“ Niemand, davon geht man heute beim „TV-Ticketservice“ aus, hat so oft im Publikum von Polit-Talks gesessen wie der rüstige und unternehmungslustige Wahl-Wilmersdorfer.

Sabine Christiansen, Maybrit Illner, Anne Will, Justus Kliss, Heiner Bremer, Lothar Späth, Leo Busch – Huber kennt sie alle. Und sie kennen ihn. Seit Jahren schon rufen Mitarbeiter vom „TV-Ticketservice“ ihn an, lesen Sendetermine und Themen vor – und Huber wählt „seine“ Sendungen aus. Meist sind es drei pro Woche. Im ZDF-Studio winkt ihm Maybrit Illner nach der Sendung zu: „Grüße Sie, schön Sie zu sehen, wie geht’s Ihnen – und wie hat Ihnen die Sendung gefallen?“ Gut hat sie ihm gefallen. Und die Moderatorin sowieso. Für Erich Huber ist „die Maybrit absolut top. Intelligent, charmant, redegewandt, mit Witz und Einfühlungsvermögen.“

Aber er sage „den Fernsehleuten“ auch, wenn ihm etwas nicht gefalle. „‚Hühnergrippe und kein Ende’ zum Beispiel – was war das mal für ein jämmerlicher Titel, echt zum Piepen“, sagt Huber. Auf die Nerven gehen ihm auch manche „Talkshow-Touristen“. „Rainer Brüderle von der FDP – blablablabla. Schlimm, der Mann! Dann dieser furchtbare Grüne Hans-Christian Ströbele – schauderhaft! Und erst der Seehofer – der ist doch nicht Fisch, nicht Fleisch.“ Dann lieber in jeder Sendung Gregor Gysi, sagt er ganz energisch und haut auf den Tisch, dass der Kaffee in der Tasse schwappt. „Bei aller politischen Abneigung: Gysi ist ein glänzender Rhetoriker, dem ich auch in der hundertsten Sendung noch zuhören kann.“

Nach so vielen Talkshow-Besuchen, verliert er da nicht langsam die Lust? „Absolut nicht“, wiegelt er ab. „Ich freue mich auf jede Sendung, als wäre es die erste.“ Die Themen und Gästerunden seien doch immer wieder neu, machten jede Talkshow zum Unikat.

Und manchmal erzielen sie überraschende Wirkung: „Bei der Maybrit bin ich mal als ‚Schwarzer’ rein ins Studio und als ‚Roter’ wieder raus“, erzählt Huber und lacht. „Da hat Wolfgang Clement zum Thema ‚Abzocke – die Großen sahnen ab und die Kleinen fliegen raus’ derart leidenschaftlich und überzeugend argumentiert, dass ich extra lange geklatscht und ‚Bravo’ gerufen habe.“

Michael Santen

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