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Busfahrt

© Uwe Steinert

Filmische Bustour: Herrn Lehmann auf der Spur

Berlin ist häufig Schauplatz beliebter Kinofilme. Mit speziellen Bustouren können Cineasten nun direkt an den Ort des Geschehens fahren.

Das Panorama ist so schön wie bekannt: Rechts steht der Französische Dom, in der Mitte das Konzerthaus, links der Deutsche Dom. Doch halt – was ist das? Im Hintergrund sieht man eine für Berlin ungewöhnliche Silhouette: Es ist der schlanke Uhrturm des Palace of Westminster in London, auch Big Ben genannt.

Ein schneller Blick aus dem Busfenster rückt alles wieder ins rechte Licht: Von der Markgrafenstraße aus sieht der Gendarmenmarkt aus wie immer, nur auf den kleinen Monitoren im Bus, auf denen gerade Ausschnitte des Films „In 80 Tagen um die Welt“ laufen, befindet man sich dank Computeranimation mitten in London. „Wenn Sie genau hinsehen, bemerken Sie, dass sich in dieser Szene in den Fenstern des Französischen Doms Neubauten von 1999 spiegeln“, macht Reiseführer Hermann Grampp die Teilnehmer der Stadtrundfahrt „Filmstadt Berlin – das rollende Kino“ auf einen Fehler im Film aufmerksam: Regisseur Frank Coraci hatte die Kulisse des Gendarmenmarkts ausgewählt, um die Geschichte des britischen Weltreisenden Phileas Fogg gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu erzählen – aber versehentlich moderne Architektur gefilmt, die Hinweise auf das Produktionsjahr 2003 gibt.

Hermann Grampp ist nicht der einzige Anbieter von Touren durch die Filmstadt Berlin. Mehrere Unternehmen konkurrieren um die besten Stadtrundfahrten an Drehorte bekannter Streifen. Auf Grampps zweieinhalbstündiger Videobustour gibt es besonders viele Aha-Erlebnisse: Der Guide lässt den Bus an Plätzen in Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain halten, um auf den Monitoren die dort gedrehten Szenen zu zeigen. So zum Beispiel am „Weltrestaurant Markthalle“ in Kreuzberg, wo 2003 Teile von „Herr Lehmann“ gedreht wurden. Zumindest die Außenaufnahmen, für die Innendrehs wurde die Schänke extra in Köln nachgebaut – sonst hätten die Filmarbeiten den Kneipenbetrieb gestört. Auch die Wedekindstraße in Friedrichshain fährt der Bus an. Die sieht man in „Das Leben der Anderen“. Der Regisseur hatte sich für diese Straße mit ihren Altbauten entschieden, weil die „dort vorherrschenden Farben Grau und Grün die passende Atmosphäre für das DDR-Drama schufen“, weiß ein Teilnehmer.

Auf rund 20 Werke geht Grampp während der Busfahrt näher ein, macht auf Filmfehler und künstlerische Freiheiten der Regisseure aufmerksam und erzählt Kuriositäten von den Drehs. Er macht auch deutlich, dass sich der Berlin-Film hervorragend als historisches Anschauungsmaterial eignet. So dokumentiert „Eins, zwei, drei“ die Schließung der Sektorengrenze am 13. August 1961: Vom einen auf den anderen Tag konnte Regisseur Billy Wilder die berühmte Szene mit Horst Buchholz, der auf dem Motorrad samt einem am Auspuff befestigten Luftballon mit der Aufschrift „Russki go home“ durch das Brandenburger Tor fahren sollte, nicht mehr zu Ende drehen. Das Tor musste in München nachgebaut werden. 1976 spiegelt der DEFA-Film „Hostess“ den Stolz der DDR auf das neue sozialistische Stadtzentrum rund um den Alexanderplatz, und 22 Jahre später ist „Lola rennt“ Ausdruck des jungen, vorwärtsstrebenden Berlins nach der Wende: Es mag symptomatisch sein, dass Franka Potente alias Lola bei ihrem rasanten Lauf durch die Stadt in Wirklichkeit mehr springt als rennt. Das beweist die nachgezeichnete Laufroute auf den Busmonitoren.

Die Videobustour führt auch über die Karl-Marx-Allee und durch den Tiergartentunnel. Dort wurden 2004 Straßenszenen und eine Verfolgungsjagd für die „Bourne-Verschwörung“ mit Matt Damon gedreht, die im Film in Moskau spielen. Andere Straßen Berlins gab Regisseur Paul Greengrass später als Teile Münchens oder Neapels aus.

Nach einem letzten Stopp in Prenzlauer Berg an den Schauplätzen von „Sommer vorm Balkon“ kommt der Bus wieder an seinem Ausgangspunkt Unter den Linden an. Die Tour hätte viel länger dauern können, genug Drehorte gäbe es. Und es werden ständig mehr: Bald kommt Tom Cruises „Operation Walküre“ in die Kinos, der unter anderem im Bendlerblock am Landwehrkanal und an den Messehallen gedreht wurde. Im Actionstreifen „Ninja Assassin“ wird man den Tiergarten und den Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg wiedererkennen. Und dann erst „Inglorious Bastards“, der Film, den Quentin Tarantino gerade mit großem Staraufgebot in Berlin dreht – diese Woche etwa auf einem ehemaligen US-Militärgelände an der Clayallee in Zehlendorf. Brad Pitt und Til Schweiger standen dort vor der Kamera. Kann sein, dass Hermann Grampp mit seinem Bus bald Abstecher nach Zehlendorf machen muss.

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