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Tilsiter Lichtspiele

© Eckard Stüwe

Friedrichshain: Berlins zweitältestes Kino ist bedroht

Eine Mieterhöhung gefährdet das Kino Tilsiter Lichtspiele. Nun will sich auch der Bürgermeister dafür einsetzen, dass die Preise moderat bleiben.

Tilsit ist eine Stadt im ehemaligen Ostpreußen und heißt heute Sowetsk. Dass ihr Name überhaupt noch im Berliner Stadtbild präsent ist, verdankt sie dem Kino in Friedrichshain mit dem schönen Namen „Tilsiter Lichtspiele“. Allerdings könnte auch diese Erinnerung bald verschwinden. Denn das kleine Kino ist von einer Mieterhöhung bedroht, die ihm den Garaus machen würde. Und das ausgerechnet im 100. Jahr seines Bestehens.

1908 flimmerten im Erdgeschoss des gründerzeitlichen Mietshauses in der heutigen Richard-Sorge-Straße, die damals noch Tilsiter Straße hieß, erstmals Filme über die Leinwand. Damit sind die Tilsiter Lichtspiele, die anfangs in Familienbetrieb geführt wurden, nach dem Moviemento in Kreuzberg (gegründet 1907) das zweitälteste noch existierende Kino Berlins. Dabei wird allerdings ein bisschen geschummelt, denn mehr als 30 Jahre lang passierte hier gar nichts. Das Ende kam 1961, als wenige Schritte entfernt an der Karl-Marx-Allee das viel größere Kino Kosmos eröffnete. Das ist allerdings auch schon längst wieder Geschichte, während die Tilsiter Lichtspiele 1994 von einem Kollektiv aus zwölf Künstlern und Filmemachern wiederbelebt wurden. Ironie der Geschichte: Die Bestuhlung besorgten sie sich aus dem Kosmos, das damals gerade zum Multiplex umgebaut wurde, was es allerdings auch nicht rettete.

Seither stehen hier bei 60 Plätzen Independent- und Dokumentarfilme wie aktuell „Kinski – Jesus Christus Erlöser“ und Retrospektiven zu einzelnen Regisseuren auf dem Programm. Seit einem Jahr ist das Kino auch ein Ort für außerfilmische Kunst, vor allem für Lesungen aus den Werken ostdeutscher Autoren. Die angeschlossene Kneipe hat sich zu einem wichtigen Treffpunkt im Kiez entwickelt. Schon das ganze Jahr über wird hier Jubiläum gefeiert.

Doch eine mögliche Erhöhung der Miete von derzeit acht auf über zwölf Euro pro Quadratmeter könnte jetzt das Ende einläuten. „Diesen Betrag hat uns der Hausverwalter in Aussicht gestellt“, sagt Benjamin Tragelehn, der mit zwei Partnern das Kino in einer aus dem Kollektiv hervorgegangenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreibt. Nach seiner Darstellung ist der alte Mietvertrag 2005 ausgelaufen. Hausverwalter Heinrich Tasto würde die Verhandlungen um einen neuen Vertrag immer wieder verschleppen, sich an getroffene Absprachen nicht mehr erinnern, mit Räumung drohen, und das schon seit über einem Jahr. Heinrich Tasto will sich zu den Problemen nicht äußern: „Nur so viel: Wenn die Mieter die erforderlichen Unterlagen und ein Konzept für den Weiterbetrieb vorlegen, bekommen sie einen neuen Vertrag“, sagt er. Benjamin Tragelehn ist ratlos: „Wir wissen nicht, was für ein Konzept er meint. Wir wollen genau das tun, was wir seit 14 Jahren tun. Zu einem Preis, der bezahlbar ist.“

Jetzt hat sich auch der Bezirk eingeschaltet. Für Bezirksbürgermeister Franz Schulz sind die Tilsiter Lichtspiele von hoher kulturpolitischer Bedeutung und außerdem wichtig für die Kommunikation im Kiez. Am kommenden Mittwoch will er den Hausverwalter in einem Gespräch davon überzeugen, mit der Miete nicht überzogen nach oben zu gehen. Benjamin Tragelehn muss sich unterdessen für Umzugsgedanken erwärmen. Zwar wäre das neue Quartier nicht weit weg, am Frankfurter Tor. Was dann aber mit dem Namen Tilsiter Lichtspiele passiert, sagt er nicht. Udo Badelt

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