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Stadtleben: Fummeln für Fortgeschrittene

Bei Beate Uhse am Zoo wurde eine Sex-Akademie eröffnet. Dort geht es um Aufklärung und einen „neuen Zeitgeist“. Ein Ortsbesuch

Michael Sonner führt das Prinzip vor: Er fingert an einer weißen Plastikpuppe so lange herum, bis aus einem Lautsprecher ein lang gedehntes „Oh, Yeah!“ ertönt – will sagen, der G-Punkt wurde erreicht. Michael Sonner lächelt in die Runde, „ist nicht so schwer, wenn man weiß, wo er ist“, sagt er. Dann nippt er an der Sektflöte und führt die geladenen Gäste zur nächsten Station durch den rötlich belichteten Gang. Hier wird auf einer Leinwand ein anderes Thema veranschaulicht: Fetisch.

Rund fünfzig Besucher begehen am Dienstag die neue Sex-Akademie „Amora“, die über dem Beate Uhse Museum eröffnet hat. In sieben Stationen sollen sie hier „hautnah“ (Sonner) erfahren, was sie schon immer über Sex wissen wollten: Vom perfekten Kuss bis zum meisterhaften Fummeln wird hier alles mit bunten Tafeln, aufstöhnenden Puppen und pornographischen Touchscreens in eindeutigen Formeln erklärt.

Die interaktiven Liebesschule stehe für „aufklärerische Gedanken und einen neuen Zeitgeist der Sexualität“, verkündet Michael Sonner, Geschäftsführer des Beate Uhse Einzelhandels, bei Sekt und obszön geformten Häppchen an der Bar 69, gleich über dem Sexshop. Die Akademie sei ganz im Sinne der Unternehmensgründerin, „die den Deutschen das Lieben lehrte“. Heute wollten die Menschen alles über Sex und Fetisch wissen. Das passe gut zur „Philosophie der Sexrebellin“ Beate Uhse: „Mehr Spaß am Leben, durch mehr Spaß am Sex, für Männer und Frauen“. Diese pädagogische Botschaft hat Europas größter Erotikkonzern bereits in eine Geschäftsidee umgesetzt und schmuddelige Pornolädchen in strahlende „Premium Erotikshops“ umgewandelt. „Wir verkaufen vor allem Qualitätsware“, sagt Sprecherin Assia Tschernookoff, „Billigprodukte waren gestern“. Im Berliner Beate Uhse Geschäft nahe Bahnhof Zoo gibt es seit 2008 etwa frauenfreundliche Umkleiden und Produktpaletten, die zartrosa statt neonfarben verpackt sind. Das Sexspielzeug soll Seriosität ausstrahlen, nicht Porno.

Das Anti-Schmuddel-Konzept ging offenbar auf: Während vor fünf Jahren noch 80 Prozent der Sexshopkunden Männer waren, kommen inzwischen überwiegend Pärchen und Frauen in die Geschäfte, so Tschernookoff. Nur noch jeder Fünfte sei ein Mann ohne Begleitung. Auch Touristen sind oft im neu eingerichteten Erotikshop zu sehen. Sie gehören zur Zielgruppe der Sex-Akademie im dritten Stock, sowie „vor allem junge, unerfahrene Leute“.

Doch die mehrfach betonte aufklärerische Mission ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen: Hier führen perfekt geformte Schauspieler auf einer Leinwand Stellungen aus, die der Besucher am Bildschirm durch antippen wählen kann, wie „Kamasutra“ oder etwa „Missionar“. Etwas weiter zeigt auf einem Video eine drallbusige Nackte in Sexfilmekstase, wie man sich selbst befriedigt. Anfassen, anschauen, anhören – alles hier ist perfekt erotisch.

Allein die letzte Etappe bietet lebensechte Ansichten: Eine Wand mit Gipsabdrücken von Geschlechtsteilen zeigt die unästhetische Vielfalt der Natur. „Das sind Abdrücke von echten Körperteilen“, sagt Sonner, als wäre der Anblick schlaffer Haut und kleiner Busen eine Sensation. „Aha“, raunen die Zuschauer. Mit so viel Aufklärung hatten sie offenbar nicht gerechnet.

Ferda Ataman

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