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Gastmahl beim Rabbiner: Trennkost für die Seele

Franz Raneburger kocht künftig für einen koscheren Catering-Service.

Von den rund 11 000 in Berlin ansässigen Juden ernähren sich nach Einschätzung des Oberrabbiners Yitshak Ehrenberg nur etwa 500 nach den jüdischen Speisegesetzen, also koscher. Der Aufwand dafür ist sehr hoch, vor allem koscheres Fleisch ist teuer. Und streng koschere Ernährung setzt die ständige Aufsicht eines Rabbiners voraus.

Es liegt auf der Hand, dass die entsprechenden Regeln eher im Privathaushalt zu erfüllen sind als unter Großküchenbedingungen, also bei großen Festen, Hochzeiten oder Staatsempfängen. Dies war der Grund für den Berliner Hotelunternehmer Michael Zehden, den Catering-Service „Top Kosher & Gourmet“, zu gründen. Die Küche der Firma befindet sich in der Max-Schmeling-Halle. Dort werden die Spezialitäten unter Kontrolle des Rabbiners zubereitet. In der Danziger Straße befindet sich außerdem eine koschere Bäckerei, deren Aufbau er vorangetrieben hat.

Aushängeschild von „Top Kosher“ ist ein Azubi der jüdischen Küche: der kochende Altmeister Franz Raneburger (ehemals „Bamberger Reiter“), der sich in den vergangenen Monaten in das ungewohnte Metier eingearbeitet hat. Ehrenberg, der in ganz Deutschland die Aufsicht über koschere Küchen führt, ist hoch erfreut über die Gründung: „Für mich hat sich damit ein Traum erfüllt“, sagte er und öffnete seine Berliner Privatwohnung für ein erstes Dinner.

Bei Wolfsbarsch mit Orangenchutney und Entrecote mit Artischocken sowie Chardonnay und Cabernet Sauvignon aus Galiläa erläuterte er die komplizierten jüdischen Speisegesetze: Die konsequente Trennung von Milch und Fleisch geht so weit, dass zwischen milchigen und fleischigen Mahlzeiten ein Abstand von zwei bis sechs Stunden eingehalten werden muss; auch verschiedene Töpfe und Teller sind notwendig.

„Das ist wirklich nicht einfach“, seufzte Raneburger, der sich von einem für die Küchenaufsicht zuständigen Rabbiner in diese Gesetze einweisen ließ. Der Berliner Ehrenmeisterkoch hat vor allem daran zu knabbern, dass Meeresfrüchte grundsätzlich verboten sind. Und auch die Tatsache, dass Fleisch in Salz eingelegt werden muss, um letzte Blutreste zu entfernen, behagt ihm nicht unbedingt, denn dadurch geht viel Fleischsaft verloren.

Als Aperitif gab es koscheren Champagner „Pol Roger Roi David“, der seinen Status aber verliert, wenn eine noch nicht geleerte Flasche von einem Nichtjuden berührt wird. Dann müsste er erst erhitzt werden, um für die Frommen wieder trinkbar zu sein – die Gäste ließen sich lieber auf Distanz einschenken.

Der Ursprung dieses Gesetzes liegt über 2000 Jahre zurück. Damals mussten sich die Juden von Götzendienern distanzieren, die ihren Wein den falschen Göttern opferten. Die eigentliche Produktion von koscherem Wein unterscheidet sich deshalb auch nicht von der des normalen Weins. Es ist nur wichtig, dass keine Nichtjuden daran beteiligt waren. Aber koscherer Wein ist insofern ein Sonderfall, weil er auf einer religiösen Überlegung beruht. Koscheres Essen dagegen hatte ursprünglich einen höchst realistischen Hintergrund, denn es ging um lebenswichtige hygienische Probleme. Doch welche Rolle spielen sie heute noch angesichts moderner Kühltechnik?

Rabbiner Ehrenberg, der selbst ein passionierter Hobbykoch ist, beantwortet die Frage so: „Das ist wie Bio, es bedeutet, bewusst zu essen.“ Bei den Vorschriften gehe es auch nicht in erster Linie um äußere Hygiene, sondern um Reinheit: „Koscher ist Trennkost für die Seele.“

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