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Glänzendes Vermögen.

© Thilo Rückeis

Goldpreis: Stadt im Goldrausch

Wegen des unsicheren Kapitalmarkts suchen viele Berliner ihr Heil in Edelmetallen und pilgern zu Juwelieren und Goldhändlern – zum Kaufen und Verkaufen.

In den Augen der Berliner funkelt es, die Stadt ist im Goldrausch. Das Goldfieber an der Spree unterscheidet sich aber grundlegend von seinen großen Vorgängern in der Geschichte, als beispielsweise Mitte des 19. Jahrhunderts Hunderttausende Kaliforniens Erdreich und Flüsse nach den glänzenden Nuggets durchsuchten. Die Berliner erliegen einem modernen Goldrausch. Sie durchkämmen nicht Havel und Tiergarten mit Schaufel und Sieb, sondern stürzen sich auf Schubladen und Kellerschränke und verhökern alten Goldschmuck oder Zahnfüllungen beim Juwelier. Den Chancen bei der herkömmlichen Goldsuche in und um Berlin erteilen Experten sowieso eine Absage, auch wenn ein Berliner vor fünf Jahren im Strandbad Müggelsee fündig wurde: drei Klümpchen, jeweils kleiner als einen Millimeter. „Wenn man in Berlin Gold finden will, müsste man Massen an Sand und Kies waschen und würde selbst dann wohl nur ein Gramm Gold auf 100 oder sogar 1000 Tonnen finden“, sagt Thomas Oberthür von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.

Ursache für die güldene Euphorie sind die aktuellen Preise für des Menschen liebstes Edelmetall: Eine Feinunze, das sind 31,1 Gramm, war im Mai bis zu 1000 Euro oder 1248 US-Dollar wert – so viel wie nie. Eine zu Weihnachten geschenkte Goldkette hat bis zu 20 Prozent an Wert zugelegt. Aber nicht nur Gold wird immer wertvoller: Auch die Preise für Silber und Platin sind in die Höhe geschnellt. Was liegt da näher, mitten in der Finanzkrise, als damit Geld zu machen. Manch einer glaubt das Wertpotenzial aber noch längst nicht ausgeschöpft, bunkert daher seine Edelmetalle weiter oder kauft neue als Investition.

Erste Anlaufstelle für investitionsbereite Berliner sind Edelmetallhändler. Platin, Silber, Gold, in Barren und Münzen - sie haben in großen Mengen auf Lager, was sonst in Kleinstausführung um Hals und Arm baumelt. Und sie beweisen, dass viele Berliner nicht so arm wie ihre Stadt sind, sondern ihr Geld zu Gold machen wollen. „Keiner hätte sich so einen Ansturm vorgestellt“, erzählt Peter Rossmann von Kessef-Edelmetalle in Charlottenburg, „in einer Woche haben wir das Geschäftsvolumen verzehnfacht.“ Das war kurz nach der Griechenlandkrise und der damit verbundenen Instabilität des Euro. Inflationsängste katapultierten den Goldpreis nach oben. „Verunsicherungen am Kapitalmarkt führen dazu, dass ein Teil der Anleger Sicherheit in Gold und Silber sucht“, lautet die Erklärung des Fachmanns. Den ersten Run auf Gold habe es im Herbst 2008 nach Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers gegeben. Zurzeit sei die Nachfrage nur schwer zu befriedigen. Weil sie dies nicht konnten, hätten einige Onlineshops sogar schließen müssen. Gold sei „ein hervorragendes Langzeitinvestment und Vermögensaufbewahrungsinstrument“, sagt Rossmann und hat auch gleich ein Beispiel parat: Am 2. Mai kaufte er einer Frau einen 250-Gramm- Barren Gold ab. Laut Quittung sei der 1969 für 1500 Mark erworben worden. Heutiger Wert: 7800 Euro. „Das ist eine Rendite von über 20 Prozent“, schwärmt der Händler, bei dem das Kilo Gold vergangene Woche 32 450 Euro kostete. Das Metall sei so beliebt, weil es auf der ganzen Welt von allen Kulturen seit Jahrhunderten als hochwertig betrachtet werde. Investitionen in Barren oder Münzen seien übrigens überwiegend Männersache.

Goldhändlern wie Peter Rossmann aber beschert der Barren-Boom erfreuliche Umsatzsteigerungen.
Goldhändlern wie Peter Rossmann aber beschert der Barren-Boom erfreuliche Umsatzsteigerungen.

© Thilo Rückeis

Frauen schätzten den Wert des Goldes vor allem dann, wenn es als Kette ihr Dekolleté schmückt. „Damen betrachten Gold eher emotional anstatt rational“, meint Rossmann. Und bei den hohen Goldpreisen wollen sich dieser Tage viele Berliner von ihren güldenen Wertgegenständen trennen. Das beweist ein Besuch bei einem Juwelier am Tempelhofer Damm. Innerhalb von 15 Minuten holen zwei Frauen Goldschmuck aus der Jackentasche. Die eine verlässt den Laden mit 600 Euro, die andere nimmt verärgert zur Kenntnis, dass der in der Türkei für 350 Euro gekaufte Ring höchstens 100 wert ist und die Diamanten auch nur aus Glas. A. Nayis, der Juniorchef des Geschäfts, muss nicht lange auf neue Kunden warten. „Seit der Finanzkrise ist ein richtiger Goldrausch da“, erzählt der 22-Jährige. Vor und in dem Laden weisen mehrere Schilder darauf hin, dass Nayis Gold ankauft. Erst prüft er es mit den Augen, dann mittels einer Säure auf die Konsistenz. An diesem Tag zahlt er 14,20 Euro pro Gramm. „Viele wollen ihr Gold gar nicht verkaufen, brauchen aber Geld“, meint Nayis. Da sei Omas Schmuck eine gute Quelle. Nayis rät jedoch, das Gold zu behalten: „Auf Dauer wird der Wert steigen.“ Meistens wird ihm Erbschmuck im Stile der 50er Jahre vorgelegt. Auch mit Zahngold wollen die Kunden ihren Geldbeutel füllen wie einst Lücken im Gebiss.

Mittlerweile allerdings setzen die Zahnärzte wegen des hohen Goldpreises nur noch wenig von dem Edelmetall in die Münder ihrer Kunden ein, sagt Erwin Behrend, der in Zehlendorf ein Dentallabor betreibt. Vor fünf Jahren kostete eine dreigliedrige Brücke bei ihm noch 700 Euro, heute sind es 1000.

Die neue Beschichtung der Goldelse auf der Siegessäule ist von den aktuellen Preissteigerungen nicht betroffen. Das Gold für 1800 Euro sei bereits gekauft, heißt es bei der zuständigen Behörde. Ingsgesamt kommen 1200 hauchdünne Plättchen Blattgold auf Viktoria-Statue, Kanonenrohre und Lorbeergirlande. Ebenfalls viel Blattgold gibt es in den 100 katholischen Kirchen Berlins. Diebstähle von Kirchengold hat das Erzbistum noch nie erlebt – und befürchtet dies auch nicht.

Auf jeden Fall fündig werden Goldsucher im Danziger Goldwasser. Das enthält pro Flasche allerdings nur 0,016 Gramm 22-karätiges Blattgold, weshalb sich dessen Kauf eher wegen der 40 Prozent Alkoholgehalt lohnt anstatt des Goldes. Es ist nicht bereichernd, nur berauschend.

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