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Graffiti

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Graffiti: Ätzende Zeichen

In Berlin ist besondere Vorsicht geboten: Hände weg von Graffiti-Schmierereien auf Glasscheiben - die dabei verwendete Flusssäure kann zu schweren Verletzungen führen. Bereits 40 Attacken mit Flussäure wurden gezählt. Noch fehlt die Spur zu den Tätern.

Bislang machten sich die Graffitischmierer nur unbeliebt mit ihren Sudeleien –nun setzen sie das Leben Unbeteiligter, vor allem Kinder, aufs Spiel. Bereits gut 40 Mal in diesem Jahr wurden in Berlin Attacken mit Flusssäure gezählt. Wie berichtet, missbrauchen Teile des harten Kerns der Graffitiszene die stark ätzende Säure, um ihre Namenskürzel, die so genannten Tags, zu hinterlassen. Bevorzugtes Ziel sind Scheiben in Waggons, U-Bahnhöfen und Bus-Wartehäuschen – Stellen also, die auch Fahrgäste oder Kinder anfassen könnten.

Wie berichtet, war ein Mitarbeiter einer privaten Reinigungsfirma am Montagabend von einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden, als er beim Saubermachen Flusssäure berührte. Dem Vernehmen nach wurde der Mann bereits wieder entlassen. Die Polizei wertet derzeit Videobänder der BVG aus. Da der beschmierte Waggon neuester Bauart ist, gibt es im Innenraum Kameras. Zudem wurden die Aufzeichnungen von den Bahnhöfen sicher gestellt, auf denen der Zug gehalten hatte. Auch bei diesem Delikt sei Videotechnik sinnvoll, hieß es bei der BVG; es könne jedoch nicht jede Wartehalle überwacht werden.

„Die Täter nehmen schwerste Verletzungen in Kauf“, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Das Unternehmen habe schon vor Monaten alle Reiniger und Techniker auf die Gefahren aufmerksam gemacht. Je nach Konzentration der Säure sind schwerste oder tödliche Verletzungen möglich. Flusssäure ist eine farblose, stechend riechende Flüssigkeit. Sie ist besonders gefährlich, weil sie von der Haut zunächst quasi aufgesogen wird, ohne dass Verletzungen sichtbar und Schmerzen spürbar sind. Das Fleisch darunter aber wird bis auf den Knochen verätzt. Experten raten, benetzte Kleidung sofort auszuziehen und die Haut mit viel Wasser abzuwaschen – und sofort den Rettungswagen zu alarmieren.

Laut einem Graffiti-Experten der Kriminalpolizei füllen die Täter verdünnte Flusssäure in handelsübliche Filzstifte, mit denen sie in Sekundenschnelle ihre „Tags“ auf Glasflächen schmieren. Wenn ein Schriftzug noch dampfe, sei die Gefahr besonders groß. Flusssäure wird zum Ätzen von Glas und Metallen eingesetzt. Sie ist zudem das häufigste Ätzmittel in der Computerchipproduktion. Deswegen ist das Mittel leicht für Jugendliche zu beziehen, „besonders im Internet“, sagte ein Polizist.

Zuletzt waren am Samstagabend auf den U-Bahnhöfen Warschauer Straße und Görlitzer Bahnhof Ätz-Attacken entdeckt worden. Beide Bahnhöfe waren wegen der Gefahr stundenlang gesperrt. Die zuständige Sonderkommission „GiB“ (Graffiti in Berlin) wertet jetzt die Schriftzüge aus. In diesem Jahr konnte noch kein Täter ermittelt werden. Erstmals war das Ätzen 2003 in Berlin bekannt geworden, 2006 hatte es bereits rund 200 Fälle gegeben. Wieso es jetzt wieder verstärkt angewendet wird, ist unklar.

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