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Graffiti

© Uwe Steinert

Graffiti: Sprühlingsgefühle am Bierpinsel

Graffitikünstler übermalen die Fassade des Steglitzer Wahrzeichens mit Street-Art – zum Ärger der Architekten.

Auf dem Bierpinsel steppt jetzt der Bär. Ein schwarzer, grinsender Bär mit Sprühdose in der Hand, der sich gerade seiner helmähnlichen Kopfbedeckung entledigt hat, tänzelt über die rote Fassade des 1976 eröffneten Steglitzer Wahrzeichens an der Tiburtiusbrücke über der Schlossstraße. Das Werk stammt vom Hamburger Street-Art-Künstler Flying Förtress, der sich am Donnerstag in einer Gondel vom 46 Meter hohen Turm abgeseilt und mit Spraydosen hantiert hatte. Drinnen und auf einer Bühne an der Schlossstraße feierte Bierpinsel-Inhaberin Larissa Laternser derweil mit Hunderten Gästen den Start der Aktion „Turmkunst 2010“ und die Wiedereröffnung nach langem Leerstand.

Bis Mitte Mai kommen noch mehr bunte Figuren und Gesichter hinzu, die ein Jahr lang zu sehen bleiben. Insgesamt vier Künstler greifen zur Farbsprühdose: Auf Flying Förtress folgen Honet aus Frankreich und Sozyone aus Spanien, die sich alle der 2000 Quadratmeter großen Fassade widmen, während Craig „KR“ Costello aus den USA ab dem 9. April den betongrauen Sockel des Turmes aufhübschen will. 2000 Liter Farbe stehen dafür bereit. Weitere Street-Art-Künstler wollen das Treppenhaus bunter machen, und für das kommende Wochenende ist eine „Live Graffiti-Session“ im U-Bahnhof Schlossstraße geplant.

Das neue Kunstcafé in der zweiten Turmetage stellt Exponate von insgesamt 13 Künstlern aus, auch Workshops sind geplant. Bald sollen ein Restaurant im dritten Stock und eine Lounge in der ersten Etage hinzukommen. Laut Larissa Laternser gehört die „Tausend Bar“ am Schiffbauerdamm zu den Betreibern.

Die 28-jährige Steglitzerin will dazu beitragen, das „verstaubte Image des Stadtteils“ aufzupolieren. Das Bezirksamt lobt, ein Wahrzeichen werde „wachgeküsst“, und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte die Aktion in einem Grußwort ein „spannendes künstlerisches Gemeinschaftsprojekt“. Anders sehen dies die Architekten des Bierpinsels, Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, die auch als Schöpfer des Internationalen Congress Centrums (ICC) bekannt sind: Die Graffiti seien eine „grobe und aggressive Verletzung der baukünstlerischen Erscheinung“. Das Urheberrecht der Architekten werde verletzt, und nach dem Abwaschen der Farbe könnten „dauerhafte Fassadenschäden“ verblieben. Larissa Laternser sagte jetzt, die Architekten hätten ursprünglich zugestimmt und erst später ihre Meinung geändert – was diese jedoch bestreiten. Vielmehr habe man nur indirekt überhaupt von dem Projekt erfahren, und zwar aus dem Tagesspiegel.

Neues gibt es auch in der Nachbarschaft des Bierpinsels: Nebenan entsteht an der Stelle des alten Wertheim-Warenhauses gerade das Einkaufszentrum „Boulevard Berlin“, und der Bezirk baut die Schlossstraße um; künftig soll es breitere Gehwege und dafür nur eine Fahrspur plus Fahrradstreifen pro Richtung geben. Außerdem haben Geschäftsleute eine Genossenschaft gegründet, um die Straße mit EU-Fördergeldern zu verschönern. Auch Larissa Laternser gehört hier zu den Gründern.Cay Dobberke

Die Bierpinsel-Aktion online:

www.turmkunst.de

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