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Schwein

© Tsp

Grüne Woche: Zwischen Speck und Schwarte

Es grunzt, es singt, es präsentiert sich stolz die Republik Baschkortostan - die Grüne Woche zeigt wieder sehr spezielle Spezialitäten. Und dazu gehören eben auch Schweine.

So viel heile Welt gab es lange nicht mehr auf der Grünen Woche. Der Bauer ist ein Erfolgsmodell, der Nährstand die New Economy der Stunde. Die Erzeugerpreise steigen stündlich, keine unberechenbare grüne Landwirtschaftsministerin geistert mehr durch Korn und Koben, und Biogas ist wie Bargeld, riecht nur etwas schlechter. So können die Tiere geschützt von Speck und Schwarte entspannt im Stroh ruhen, das possierliche Bunte Bentheimer Schwein, das Zwergzebu, das so gern die stark ausgebildete Wamme vorzeigt, das Merinoschaf mit seiner Neigung zu asaisonaler Brunst. Sie alle sind wieder angekommen in der Mitte der Republik, und die liegt Ende Januar traditionell in Halle 25 des Berliner Messegeländes.

Dabei hat sich außer der Stimmung grundsätzlich kaum etwas geändert an der Lieblingsmesse der Berliner, die ja schon vor Jahren zur Landwirtschaftsmesse für Deutschland und Osteuropa mutiert ist. Russland zum Beispiel präsentiert sich wieder in einer eigenen Halle und eröffnet den Blick auf nie gekannte Agrarregionen. Ja, es scheint, als gründe Wladimir Putin alljährlich ein bis zwei neue Republiken ausschließlich für den Zweck, sie in Berlin vorzeigen zu dürfen: Baschkortostan, das Autonome Obrug Jamal Nenzen, die udnistische Republik. All das scheint durch nicht viel mehr als die Balalaika und goldbestickte Trachten zusammengehalten zu werden, es gibt dort gefrorene Fische, groß wie Badelaken, es gibt Weizenfelder, auf denen die Sonne nicht untergeht, und konzentrierte Getränke für jeden Anlass.

In der von russischen Stimmen erfüllten Halle fühlt sich der Berliner Gast ein wenig fremd, das mag auch daran liegen, dass ein großes Restaurant mit Vorhängen blickdicht abgeschirmt wird, vermutlich, damit von den langen Reden der Funktionäre nicht allzu viel nach außen dringt. Selbst in die deutsche Weinstraße, die auch Firma-Pieroth-Allee heißen könnte, scheint man von Osten her vorzustoßen; allerdings war das „Kaviar-Haus Tiflis“ dort am Eröffnungstag nur durch einen Stand ohne Personal und mit einer leeren Vitrine vertreten.

Was uns die deutschen Bundesländer zeigen, ist dagegen ein Musterfall anschaulicher Regionalität, die kein Klischee ohne Not verloren gibt. „Steuermann, ho, halte Kurs nach Haus“ schnuffeln die Shanty-Chöre, und beim Gasthaus „Bauernlümmel“ rotiert am Grillspieß der knusprige Schinken, während die Jagdbläser hupen. Deutschland zeigt sich als ein Land der Metzger und Jäger, denen man aus mecklenburg-vorpommerscher Sicht allenfalls noch die Piraten beigeben möchte, sie haben sich an der ostdeutschen Küste offenbar irreversibel breitgemacht, gefährliche Freibeuter, deren tödlichste Waffe das Schifferklavier ist. Noch tödlicher sind nur die Schlagerkapellen, die den schweren Atem des Mitteldeutschen Rundfunks in die Hallen blasen.

Ihnen wirft Brandenburg den Klang seines behäbig glennmillernden Polizeiorchesters entgegen. Hallo, da kommt Klaus Wowereit, der isst gern was, das weiß man, und schon hat er eine Tüte mit Potsdamer Schlosskeksen in der Hand und muss, mmmmmh!, vom soeben erdachten Aal-Brotaufstrich kosten. Noch ein Kartoffelschnaps, weiter, weiter.

Groß die Schweiz, das offizielle Gastland, wo sie zum Lammkotelett konsequent Härdöpfü-Gratin reichen, noch größer Österreich, das in diesem Jahr irgendwie Polen verschlungen zu haben scheint. Und China? Ist ein schlafender Riese mit zwergenhafter Präsenz. Aber Vorsicht! Wer genau hinsieht, ahnt, was von dort kommt, etwa aus dem Betrieb, dessen Name übersetzt ungefähr „Gelbes Flussdreick besonders überlegenes Agrarerzeugnis“ heißt. „Unter ihnen stellt die hohen Muskelweizenmehllagen jede Art Brot her“, heißt es dort schriftlich, „das richtige Muskelweizenmehl entspricht dem Herstellung hochwertige Kuchen“. Mit welchen Produkten wird erst die „Sichuan Kazankältestbrudergruppe“ den deutschen Markt erobern?

Soviel Asien ist den Berliner Gästen dann doch zuviel. „Die Blumenhalle kannst du ja vergessen“, höhnt eine Kennerin, „,asiatischer Touch‘, also wirklich“. In der Tat ist dort kaum Frühlingserwachen wie sonst zu finden, nur schummrig beleuchteter floraler Minimalismus, eingefasst von Rabatten zwischen rosa und violett, die die Halle steil umringen wie Zuschauer den Fußballplatz.

Das Gegenmittel? Zum Beispiel eine „Severiner Putenoberkeule mit Mecklenburger Handkloßfülle“. Mahlzeit!

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