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Historiale

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Historiale: Frag den Alten Fritz

Der König ist tot, es lebe der König: Olaf Kappelt spielt Friedrich II. Besucher führt er durchs alte Berlin – und das nicht nur zur heutigen Historiale.

Es dauert 45 Minuten, bis die gepuderte Nase, Perücke und Dreispitz da sitzen, wo sie hingehören. Nun noch die Stiefel und der Stock, der Gehrock, die Soldatenuniform. So tritt Friedrich II. aus der Tür eines Mietshauses in der Seestraße, „weil ich mir momentan kein Palais Unter den Linden leisten kann“. Schlimmer noch: Majestät nehmen die gelbe Metallkutsche, um in enger Tuchfühlung mit seinen Untertanen vom Wedding ins Zentrum zu fahren.

Dort empfängt der Monarch auf dem Pariser Platz. Die Staatskasse ist leer, also muss der Chef persönlich dafür sorgen, dass es ihm einigermaßen gut geht. „Privat-Audienz und Spaziergang mit Friedrich dem Großen“ steht auf dem Programm. Die „Alter-Fritz-Erlebnis- Tour“ geht vom Stadttor zum Geburtsort des Königs, also zum Schlossplatz. 90 Minuten kosten 15 Euro. Man kann S.M. auch individuell buchen. Und Friedrich kommt, wie Ziethen aus dem Busch, wenn er nicht gerade ausgebucht ist. „Der König war in meinen Augen ein Mensch wie jeder andere auch“, sagt er im Gehen, „ohne Standesunterschiede sollte jedermann Gerechtigkeit widerfahren, in meinem Lande sollte jeder nach seiner Fasson selig werden“. Modernes Denken aus Rokokos Zeiten.

Olaf Kappelt ist der bürgerliche Name des Königsmimen mit der Friedrichsmiene. Der Zeithistoriker nennt sich Historiendarsteller. „Nie im Leben hätte ich mir träumen lassen, mal als Friedrich am Brandenburger Tor zu stehen“, sagt der Wahlberliner und Buchautor, dessen Wiege in Altdöbern stand, „noch im Brandenburgischen, hart an der Grenze zu Sachsen“. Aufgewachsen ist er im ehemals königlich-preußischen Staatsbad Oeynhausen – wenn die Mitschüler Karl May lasen, schmökerte er sich durch die Preußische Geschichte, promovierte in Würzburg, wurde Doktor der Philosophie, schrieb mehrere historische Bücher, eins davon lüftet Friedrich des Großen Koch- und Küchengeheimnisse, ein anderes beschreibt wortwörtlich seinen Spaziergang über die „Linden“. „Dabei versuche ich, meine Gäste mit Friedrich quasi zu vernetzen“, sagt Kappelt, der nicht nur in den Uniformrock seines Vorbilds schlüpft, sondern auch versucht, Körper-Seele-Geist zu vereinen, Raum und Zeit zu verwischen, eben „fritzisch“ zu sein. Statt „touristischen Oberflächenzauber“ gibt er seine Botschaft von Kultur und Lebensart. Seine königlichen Verwandlungskünste sind so perfekt, dass selbst der Chef des Hauses Hohenzollern mit seiner Familie begeistert war. Von 400 Berliner Stadtführern ist Olaf Kappelt wohl als einziger eine wahre historische Person. Die führt ihre Gäste nicht, sie lustwandelt. Kappelts Königsjob hat an diesem Wochenende eine neue Dimension: Majestät stellt sich den Fragen der Besucher der Historiale im Nikolaiviertel. Wir wollten vorab schon einmal wissen, wie er seine Residenzstadt heute sieht: „Zu meines Vaters Zeiten war Berlin ein spartanischer Militärort, ich habe daraus eine Kulturhauptstadt gemacht. Das gilt auch heute, und an meiner Oper kann ich mich noch immer freuen!“

Friedrich II. heute von 12 bis 16 Uhr stündl. und Sonntag um 12, 14, 16 Uhr auf der Historiale unterwegs. Infos: www.Koenig-Friedrich.de.

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